Am 19. September fielen die Urteile in einem Prozess des Landgerichts Köln gegen drei Administratoren des neonazistischen Internetforums „Nationale Revolution“. Alle drei wurden wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, wegen Volksverhetzung, Unterlassung und dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verurteilt. Der 30jährige Angeklagte P. war 2007 als das Forum online ging noch minderjährig und wurde nach Jugendstrafrecht zu einer Zahlung von 2.000 Euro an die Amadeu-Antonio-Stiftung verurteilt. Der 37jährige H., der als zentraler Autor des Forums und damit als Rädelsführer galt, erhielt eine 1 Jahr und 3 Monate dauernde Gefängnisstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem muss er 1.500 Euro ebenfalls an die Amadeu-Antonio-Stiftung zahlen. Der dritte Angeklagte S. wurde zur Zahlung von 150 Tagessätzen à 30 Euro verurteilt. Bei allen dreien wirkte sich die lange Verfahrensdauer von 5 Jahren strafmildernd aus. Das Ermittlungsverfahren lief seit Sommer 2014, erst im August 2019 begann die Hauptverhandlung. Außerdem hatten sie für die Richterin glaubhaft machen können, dass sie sich von den damaligen Inhalten des Forums distanzierten. Zu Beginn des Prozesses hatten sie ihre Taten gestanden und sich für sie entschuldigt. Die Richterin sah die umfangreichen Aussagen, die zu einer verkürzten Hauptverhandlung führten, ebenfalls als strafmildernd an. Alle drei Angeklagten stammen ursprünglich aus dem westfälischen Salzkotten und waren dort Mitglieder der Kameradschaft „Nationaler Widerstand Salzkotten“. P., der 2009 nach Köln umgezogen war, beteiligte sich mindestens bis 2014 an neonazistischen Aktivitäten, beispielsweise an einer Demonstration von „Die Rechte“ in Dortmund.
Das Netzwerk mit Servern in Rumänien wurde ab 2013 hauptverantwortlich von Neonazis aus Österreich weiter betrieben, gleichwohl waren die jetzt in Köln Angeklagten in unterschiedlicher Intensität auch danach weiterhin Teil des Forums. Nachdem im Juni 2012 das bis dahin bedeutendste deutschsprachige extrem rechte Internetforum „Thiazi.net“ abgeschaltet worden war, entwickelte sich „Nationale Revolution“ zu dessen Nachfolger – wenn auch mit weitaus geringerer Reichweite. Zu Spitzenzeiten zählte es knapp 4.000 User und insgesamt 70.000 Beiträge. Bei diesen Beiträgen handelte es sich um Texte, Bilder, Computerspiele („KZ-Manager“) und Lieder extrem rechter Bands, davon zahlreiche indiziert. In einigen dieser Lieder wurde zum Mord an nicht-Deutschen, Juden und Linken aufgerufen. Gepostet wurden auch Beiträge, die Brandanschläge auf Asylbewerber*innenunterkünfte gut hießen, ebenso wurde der Holocausts geleugnet und der Nationalsozialismus verherrlicht.
Zwei Stunden lang dauerte alleine die Verlesung der Anklageschrift, in der die Staatsanwältin akribisch jeden einzelnen strafbewehrten Text aus Forumsbeiträgen der drei Angeklagten vortrug. Das Forum war im Internet für jeden frei einsehbar, Texte konnten gelesen, Musik runter geladen werden. Die Seite trug damit erheblich zur Verbreitung von neonazistischer Propaganda und Hass bei. Die Beiträge wurden von angemeldeten Usern verfasst. Die drei Angeklagten schrieben unter den Nutzernamen „White Devil“, „Radical Devil“ und „Aryan Devil“.
Für das Urteil waren die selbstverfassten wie auch die Liedtexte der angebotenen Songs ausschlaggebend. Dass die Forumsbeiträge und Liedtexte Einfluss auf andere Personen gehabt und diese möglicherweise zu Taten ermuntert haben, wurde lediglich in einem Satz der Urteilsbegründung erwähnt. Nicht berücksichtigt wurde die Bedeutung, die Internetseiten dieser Art für die Vernetzung, Indoktrinierung und mitunter auch Aufstachelung der Szene haben. Während die österreichischen Betreiber*innen schon im Juli 2015 zu Haft- und Bewährungsstrafen verurteilt wurden, kamen die deutschen Administratoren im Kölner Prozess relativ glimpflich davon. (fe, kg)