„Rufst du die Polizei, passiert dir sowas nochmal“ – mit diesen Worten drohte ein junger Mann seinem am Boden liegenden Opfer in der Nacht vom 24. auf den 25. Februar 2017 in Dahlerau (Radevormwald), nachdem er ihn mehrfach geschlagen und getreten hatte. Der Angegriffene ist Jan Bäcker, 29, Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) und zu dem Zeitpunkt Landtagskandidat für die Partei „Die Partei“, der Täter Eric F. aus dem Umfeld des extrem rechten, 2013 als kriminelle Vereinigung eingestuften „Freundeskreis Rade“ und der extrem rechten Kleinstpartei „Die Rechte“, er soll bereits mehrfach Antifaschist_innen bedroht haben.
Bäcker rief trotz der Drohung die Polizei, noch kurz vor Weihnachten, am 22. Dezember 2017, wurde der Angriff vor dem Amtsgericht Wipperfürth verhandelt.
In der Nacht im Februar war Bäcker mit einem Begleiter auf dem Weg zum Zigarettenautomaten. Auf dem Rückweg begegneten sie zwei Personen, die sie beobachteten und ihnen dann folgten. Auf der Wülfungbrücke traf ein Stein Bäcker am Bein, dann stürzte F. sich auf ihn, während die zweite Person den Begleiter Bäckers zu helfen gehindert haben soll. Zum Schluss fiel dann die Drohung.
Doch Bäcker verständigte dennoch die Polizei, die traf nach einer halben Stunde ein und nahm die Anzeige auf. Im Krankenhaus wurden bei Bäcker Prellungen, eine Fraktur des Nasenbeins diagnostiziert, es zudem bestand der Verdacht einer Gehirnerschütterung, weshalb er das Wochenende im Krankenhaus verbrachte.
Den Haupttäter konnte Bäcker identifizieren, er wurde auch vom Staatsschutz Köln, der die Ermittlungen übernahm, der rechten Szene zugeordnet. Trotz der Urteile gegen den „Freundeskreis Rade“ ist die rechte Szene vor Ort weiter aktiv: „Tatsächlich haben Einschüchterungen, Bedrohungen, Sachbeschädigungen und Belästigungen zu keinem Zeitpunkt völlig aufgehört. Dass es mittelfristig wieder zu Angriffen kommen würde, war daher nur eine Frage der Zeit“, hieß es nach dem Überfall im März in einem offenen Brief des VVN – BdA.
Bereits unmittelbar vor Beginn des Prozesses am 22.12. gab es Auseinandersetzungen um seine mediale Begleitung. Nach Prozesseröffnung beantragte der Verteidiger F.s den Ausschluss der Öffentlichkeit. Er begründete dies zum einen mit dem Alter des Angeklagten, der als Heranwachsender eingestuft werden müsse, zum anderen mit der öffentlichen Berichterstattung, insbesondere des Linken Forums. Die Anwältin Bäckers, der als Nebenkläger auftrat, widersprach.
Der Richter kam dem Antrag jedoch nach. Bereits im März hatte er F. in einem anderen Prozess als Heranwachsenden eingestuft; dies sei in zeitlicher Nähe der Tat gewesen. Außerdem habe die Berichterstattung tatsächlich bereits in die Persönlichkeitsrechte des Angeklagten eingegriffen. Ein politischer Hintergrund sei zudem noch „gänzlich offen“.
Der Angeklagte räumte die Tat in Teilen ein, widersprach aber dem geschilderten Tatverlauf. Er sei als „dickes, dreckiges Nazischwein“ beleidigt worden. Dennoch sah das Gericht seine Schuld als erwiesen an, blieb aber bei einer Verwarnung inklusive 600 Euro Schmerzensgeld an den Betroffenen und 100 Stunden Antiaggressions-Training. F. stritt nicht ab, der rechten Szene anzugehören. Ob der Richter die Tat aber als politisch motiviert einstufte, blieb unklar. „Schädliche Neigungen“ stellte er beim Angeklagten jedoch nicht fest.
Das Linke Forum (LF) berichtet über weitere aktuelle Vorfälle mit extrem rechtem Hintergrund: Zwei Mitglieder des LF, von denen eines ebenfalls in den letzten Monaten für seine politischen Überzeugungen wiederholt persönlich beleidigt und belästigt wurde, wurden beim Abendspaziergang in der Innenstadt gegen 22 Uhr mit einem Ei beworfen. Das Ei traf die LF-Mitglieder nicht. Nach Einschätzung der zum Tatort gerufenen Polizei ist der Vorfall ernst zu nehmen, sie ermittelt nun wegen versuchter Körperverletzung gegen unbekannt. „Wir lassen uns nicht einschüchtern. Es ist wichtig, dass wir darauf deutlich reagieren. Auch als Gruppe“, sagte das attackierte LF-Mitglied. (he)