Aus Anlass der aktuellen Diskussion um Rechtsextremismus und Rassismus bei Alemannia Aachen dokumentieren wir an dieser Stelle den ausführlichen Kommentar eines Fans:
„Das Pokalspiel von Alemannia Aachen im FVM-Pokal am 12.01.2013 bei Viktoria Köln sorgte für viele Schlagzeilen. Spiegel Online berichtete als Erstes. Es folgten die ZEIT, 11Freunde und viele andere. Doch nicht das Sportliche interessierte dabei, sondern der vorerst finale Auftritt der Aachen Ultras (ACU). Unmittelbar nach dem Spiel verkündete die Fangruppe ihren Rückzug – das traurige Ergebnis einer langen Auseinandersetzung in der Aachener Fanszene. Anlass zurückzublicken auf die Geschehnisse und insbesondere auf die Reaktionen und Umgangsweisen des Vereins mit den (politischen) Konflikten.
Beginn des Übels
Bereits in den 1980er-Jahren gab es Versuche der organisierten extremen Rechten, das Thema Fußball propagandistisch aufzugreifen und im Stadion für sich werben. Mitte bis Ende der 1990er Jahre entwickelte sich schließlich eine enge Verbindung mit der Aachener Fanszene. Rassistische Gesänge gehörten zum üblichen Fanrepertoire. In den Niederungen der damaligen Oberliga Nordrhein bzw. der Regionalliga West/Südwest war die öffentliche Resonanz allerdings noch sehr gering. Ein Bruch mit dieser Form diskriminierender Äußerungen erfolgte 2001, als der Verein – nach dem Aufstieg in die 2. Bundesliga 1999 – für die jahrelang üblichen „Asylanten“-Gesänge erstmals beim Spiel gegen Mönchengladbach bestraft wurde. Zwar sind seitdem offen rassistische Gesänge selten zu hören, trotzdem verknüpften sich Teile der Aachener Fanszene zunehmend mit organisierten Neonazis. Freundschaftliche Gespräche zwischen Kadern der inzwischen verbotenen Kameradschaft Aachener Land (KAL) und Alemannia-Ordnern am Stadion oder ein durch die Hooligangruppe Westwall Aachen organisierter Auftritt von Kategorie C sorgten für eine zunehmende Spaltung in der Fanszene der Alemannia.
Ultras in Aachen: Von der Gründung zur Trennung
Nachdem sich im Rahmen der von Italien ausgehenden Ultrabewegung auch in Aachen 1999 die Aachen Ultras gegründet hatten, spaltete sich 2010 die Karlsbande Ultras (KBU) als eigene Ultragruppe von den Aachen Ultras 99 (ACU) ab. Die KBU gaben sich „unpolitisch“, d.h. politische Hintergründe sollen keine Rolle spielen und Politik solle nicht ins Stadion getragen werden. De facto ist damit der extremen Rechten der Weg geöffnet worden, da ihre (scheinbar privaten) Betätigungen ausgeblendet werden konnten. Die Interessen der Ultras, sich gegen Rassismus im Stadion einzusetzen, führten letztlich zu der Trennung. Nachdem es in der Saison 2010/11 immer öfters zu Auseinandersetzungen im eigenen Fanblock zwischen den ACU und den KBU kam, zogen die ACU zur Saison 2011/12 in einen eigenen Block mit einem eigenen Zugang. Der (gewaltsame) Druck von den KBU, mitunter unterstützt von Ordnern, war für die ACU zu groß geworden. Durch die räumliche Trennung von der gesamten Aachener Fanszene fanden sich die ACU zunehmend in einer isolierten Situation wieder. Große Beliebtheit genossen die ACU in weiten Teilen der Fanschaft nicht, allein durch den für Aachen ungewöhnlichen Support in Form von Sambarhythmen und spielverlaufsunabhängiger Unterstützung. Während die KBU nunmehr die führende Rolle in der Aachener Fankurve innehatten und sich der Unterstützung der meisten „normalen“ Fans „hinterm Tor“ sicher waren, waren so die ACU im wahrsten Sinne des Wortes an den Rand der Fanszene gedrängt.
Die Auseinandersetzung: Gewalt und Übergriffe
In den letzten beiden Jahren erfolgten in dieser Situation zunehmend gewalttätige Übergriffe seitens der Fans aus dem Umfeld der KBU oder anderer Fangruppierungen. Nach Übergriffen beim Auswärtsspiel in Dresden im Oktober 2011 erfolgte im Dezember desselben Jahres ein erster trauriger Höhepunkt im Spiel gegen Erzgebirge Aue, als 20-30 vermummte, rechtsgesinnte Fans die ACU überfielen. Der Hintergrund lag in einer vom Fanprojekt organisierten Lesung mit Ronny Blaschke zum Thema „Rassismus und Fußball“ im Vorfeld des Spiels. Die Rechten waren bei der Veranstaltung vor die Tür gesetzt worden und wollten nun „Rache nehmen“. Während der Übergriffe feuerten die KBU ihre „Kameraden“ an. Ebenso wurde die Mitglieder der ACU als „Juden“, „Homos“ und „Zecken“ tituliert. Der Überfall hatte 11 Stadionverbote und eine Verschärfung der Stadionordnung zur Folge: Diffamierende und rassistische Abzeichen, Gesänge und Gesten sollten nun mit Hausverbot geahndet werden, auch das Tragen von Kleidung der rechten Szenemarke Thor Steinar wurde verboten. Die Umsetzung des Thor Steinar-Verbots war aber oft unzureichend. Bei der Gelegenheit wurden zugleich vermeintlich „linksradikale“ Symbole verboten.
Die Reaktion des Vereins: typische Fehler
Auf der offiziellen Internetseite des Vereins wurde nach dem Übergriffen beim Spiel gegen Aue eine Stellungnahme der Alemannia Supporters veröffentlicht, in der diese sich von politisch motivierten Übergriffen und Rechtsextremismus distanzierten – ein Hohn in Bezug auf die Betroffenen. Schon in diesem Fall waren typische Fehler im Umgang mit der extremen Rechten und rechtsaffinen Jugendlichen in der eigenen Fanszene zu beobachten: Diesen wird abgesprochen Fan zu sein, wodurch sie symbolisch ausgeschlossen werden und nicht als Bestandteil der Fanschaft gesehen werden. Damit glaubt man sich des Problems entledigt zu haben, nach dem Motto: „Rechtsextrem sind keine Fans, also haben wir auch nichts damit zu tun!“ Ebenso werden politische Hintergründe ignoriert und möglichst nicht angesprochen. Es werden dabei unscharfe Begriffe wie „Gewalt“ oder „Probleme“ verwendet. Dabei werden Neonazis und die von rechter Gewalt Betroffenen gleich gesetzt und gefordert, sich an einen Tisch zu setzen. In dieser Situation forderten zunehmend andere, antirassistisch wirkende Ultras aus Deutschland wie Racaille Verte (Bremen) oder Coloniacs (Köln) den Verein auf, sich deutlich zu positionieren. Den Freiburg Ultras, befreundet mit den ACU, wurde seitens des eigenen Vereins verboten sich „politisch“ zu äußern. Sie wollten das Transparent aufrollen mit der Botschaft „Mit Köpfchen und Verstand gegen stupide Gewalt vom rechten Rand / Aachen Ultras bleiben – Nazis vertreiben“.
Fortsetzung der Übergriffe
Schon kurz darauf, am 18.12.2011, beim Auswärtsspiel in Braunschweig wurde durch Hooligans und Neonazis der Kameradschaft Aachener Land den ACU der Zutritt in den Gästefanblock verwehrt. Ebenso wurde die Fanprojektleiterin Kristina Walther beleidigt und bedroht und durfte den Block nicht betreten. Die nächste Stufe der Eskalation geschah am 05.01.2012 während eines Hallenturniers: Die ACU wurden von 10 Mitgliedern der Karlsbande attackiert und verfolgt. Andere Neonazis sollen bei diesen Aktionen geholfen haben.
Zu Beginn der Rückrunde erfolgte ein Aufruf des Vereins, der Mannschaft sowie der IG der Alemannia-Fans und -Fanclubs „gegen Gewalt, Extremismus und Rassismus“ in der Stadionzeitung Tivoli Echo beim Heimspiel gegen St. Pauli. Dieser Aufruf wurde just von ACU und KBU nicht unterzeichnet, allerdings von den Alemannia Supporters! Vor diesem Spiel gab es zudem eine Bombendrohung durch eine sich selbst als Deutsche Zelle der bisher unbekannten White Unity Underground Agency, die dem Gästefanblock und einer Antifa-Demo (anlässlich der Jubiläumsfeier der neonazistischen KAL zu deren zehnjährigem Bestehen), die nach dem Spiel stattfand, galt. In der Nacht zuvor gab es eine Buttersäure-Attacke auf das Autonome Zentrum Aachen und Farbschmierereien am DGB-Haus Aachen. In dieser Zeit mehrten sich auch die Stimmen seitens des rechten Fußball-Umfelds, die die Fanprojektleiterin Kristina Walther ins Visier nahmen und ihre Arbeit als „linksradikal“ bewerteten und ihren Rücktritt forderten.
Beim Spiel gegen Dynamo Dresden führte der Verein schließlich eine medienwirksame Aktion durch. Ein Plakat mit der Botschaft „Rechts steht im Abseits“ wurde auf dem Platz präsentiert.
Nach dem Spiel gegen den Karlsruher SC im April 2012 gab es Übergriffe von führenden Mitgliedern der KBU in den Fanblock der ACU. Weitere Drohungen und Attacken folgten in diversen Spielen der Saison.
Der Abstieg und die Folgen
Zur Saison 2012/13 musste die Alemannia den Gang in die Drittklassigkeit antreten. Der möglichst baldige Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga mit erfahrenen Spielern um Sascha Rösler und Albert Streit wurde angestrebt. Sehr schnell zeigte sich jedoch, dass diese Pläne Wunschvorstellungen waren. Während sich die Mannschaft im Keller der 3. Liga wiederfand, musste der Verein Ende 2012 vorläufig die Insolvenz verkünden. Der Verein versucht, die Insolvenz im eigens durchgeführten Verfahren bis zum Ende der Saison zu verhindern bzw. dann einen Neuanfang in der Regionalliga durchzuführen. In der Saisonphase setzten sich die Übergriffe rechter Fans auf Mitglieder der ACU fort. Nach Übergriffen in außerhalb des Stadions nach dem Auswärtsspiel in Saarbrücken wurde gegen drei Fans ein drei-monatiges Stadtverbot bei Heimspielen der Alemannia verhängt, die Karlsbande insgesamt wurde mit einem Bannerverbot belegt. Trotzdem zeigte sich die Gruppe wenig später im Stadion wieder offen, ihre Zeichen waren auf Bannern und Kleidung zu sehen. Ebenso erfolgten immer wieder, insbesondere bei Auswärtsspielen Bedrohungen und Sachbeschädigungen seitens der KBU gegenüber den ACU, ohne dass Konsequenzen des Vereins folgten.
Der Ehrenkodex
Im November 2012 veröffentlichten zahlreiche Fangruppierungen der Alemannia, auch die ACU, Supporters und die KBU, einen „Ehrenkodex“, in dem sie sich von Gewalt und Rechtsextremismus distanzierten. Kurz darauf kommentierte ACU den Ehrenkodex, um die eigene – kritische – Haltung zu verdeutlichen. Das geforderte „Wir-Gefühl“ und der „gemeinsame Support“ widersprachen den individuellen Bedürfnissen verschiedener Fangruppierungen und übersahen die realen Gegebenheiten. Zu hinterfragen sind dabei ebenfalls die Forderungen nach Respekt gegenüber allen Gruppen, denn die gewöhnlichen Fangesänge sprechen eine andere Sprache. Es ist eine weit verbreiteten Art, in derartigen Fällen von „Extremismus“ zu reden, anstatt das Kind beim Namen zu nennen: Der rassistische Hintergrund wird ausgeblendet, es erfolgt eine Gleichsetzung von rechts und links. Ebenso müsste, wenn ein solcher Ehrenkodex veröffentlicht wird, ein Verstoß gegen diesen Kodex Konsequenzen mit sich bringen. Doch genau darin liegt das Problem…
Das (vorläufige) Ende von ACU
Im Zuge der nationalen 12:12-Proteste kam es zu einem Aufschrei im Stadion im Dezember 2012, als sich die ACU an dem bundesweit durchgeführten Protest gegen verschärfte Sicherheitsmaßnahmen nicht beteiligte. Eine Mehrheit der Aachener Fanszene missbilligte das durch „ACU raus!“-Rufe. Die Vermischung der politischen Feindschaft zwischen rechten Kreisen der Aachener Fans zu den ACU und der Unbeliebtheit bei „normalen“ Fans zu den isolierten Ultras erreichte einen Höhepunkt. Immer wieder wurde den ACU vorgeworfen, zu provozieren und sich von der übrigen Fanszene zu distanzieren. Dabei versagte auch der Großteil der nicht in Ultra- oder Fanclubs organisierten Aachener Fanszene. Das Naziproblem ignorierend, kam es zu einer Täter-Opfer-Umkehrung, in der die ACU als „Linksextremisten“ denunziert wurden. In dieser Situation dürfte der Entschluss der ACU gereift sein, einen Schnitt zu machen. Kein Verantwortlicher des Vereins, nicht die „normalen“ Fans oder sonstige Gruppierungen konnten trotz aller Bekundungen die Übergriffe stoppen. In jedem Spiel mussten die ACU polizeilich geschützt werden und dennoch auf Hin- und Rückfahrt oder im privaten Umfeld mit Angriffen rechnen. Am 12. Januar 2013 erfolgte daher eine sorgfältig geplante Aktion beim Pokalspiel in Köln. Unterstützt von zahlreichen Ultras aus Deutschland, zeigte ACU in der letzten halben Stunde der regulären Spielzeit durch Transparente, wo sie die Probleme sahen: „Diskriminierende Gesänge? Nicht gehört! / Nazis am Tivoli? Nie gesehen! / Angriffe? Von der Presse erfunden!“, „Die Jagdsaison ist eröffnet / KBU Forum“, „Lieber Parasit als Antisemit“ – nur um einige zu nennen. Das Zitat „Politik und Religion haben in den Stadien keinen Zutritt“ stammt von Uwe Scherr, dem derzeitigen Sportdirektor der Alemannia, das beispielhaft die oberflächliche Position der Verantwortlichen zeigt. Mittlerweile hat Scherr öffentlich zugegeben, in dieser Angelegenheit Fehler gemacht zu haben.
Die von der ACU mittels Bannern getätigten Äußerungen wurden von der Karlsbande als Provokation gesehen. Es stellt sich die Frage, inwiefern berechtigte Kritik provozieren kann. Als Augenzeuge kann ich berichten, wie zahlreiche Fans von Beginn an einzig auf die ACU konzentriert waren und weniger das Spiel beobachteten. Wie so oft waren rechte Symbole in verschiedener Ausprägung zu sehen (Thor Steinar, Eisernes Kreuz etc.). Als es nach 120 Minuten zum Elfmeterschießen kam und das Tor auf der Seite der ACU geschossen wurde, rückte die Karlsbande in diese Richtung und stieg auf die Zäune Richtung Spielfeld und Richtung der ACU.
Dabei flog mindestens ein (kräftiger) Böller in den Block der ACU. Auf Seiten der ACU provozierten vermummte Fans mit Rohrstangen aus PVC die Fans der Karlsbande. Diese Rohrstangen flogen kurz später zwischen den Blöcken hin und her. Die Polizei rückte schließlich an, drängte in den Block der ACU und trieb die Fangruppierung unter Einsatz von Pfefferspray weg. Um die Fans der Karlsbande bzw. des anderen Blocks kümmerte sich niemand. Böllerwürfe, Nazikleidung und gewaltsame Drohgebärden: Interesse? Fehlanzeige! Nach dem Spiel wurden die ACU unter großer Polizeibegleitung aus dem Stadion geführt. Für die Mannschaft spielte diese Auseinandersetzung nie eine Rolle. Wie nach jedem (in dieser Saison seltenen) Sieg ließen sie sich von der Karlsbande und den anderen Fans feiern, während der Block der ACU außer Acht gelassen wurde. Gerd Dembowski, einer der führenden Fanforscher Deutschlands, war ebenfalls Augenzeuge in Köln und spricht von „einem schwarzen Tag für die demokratischen Verhältnisse“.
Reaktionen
Lutz van Hasselt, Fanbeauftragter der Alemannia, kommentierte die Vorfälle folgendermaßen: „Alemannia Aachen hat sich sowohl in der Vergangenheit als auch aktuell immer wieder klar gegen Rechtsextremismus und Rassismus positioniert, außerdem wurden Vorfälle mit rechtsextremem Hintergrund konsequent unter anderem mit Stadionverboten bestraft.“ Die offizielle Stellungnahme des Vereins infolge des Spiels in Köln lautete: „Alemannia Aachen hat sich in der Vergangenheit klar gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt positioniert und wird dies auch künftig tun. Wer dagegen verstößt, kann kein Fan der Alemannia sein und schadet dem Verein. Der Vorwurf der Fan-Gruppe AC Ultras, angeblich vom Verein nicht unterstützt worden zu sein, kann nicht nachvollzogen werden, denn der Verein hat den Ultras verschiedene Unterstützung – zum Beispiel in Form von kostenlosen Räumlichkeiten, dem gewünschten Block im Stadion inklusive Umbau mit zusätzlichen Wellenbrechern, Parkausweisen, Begleitung von Auswärtsspielen durch eigenen Ordnungsdienst etc. – zukommen lassen. Der Verein ist – soweit es in seiner Macht steht – gegen Rechtsextremismus und Gewalt vorgegangen und hat zum Beispiel zahlreiche Stadionverbote ausgesprochen, die Stadionordnung angepasst sowie Materialverbote ausgesprochen. Darüber hinaus wurde vielfach von der Alemannia sowie anderen Fanklubs versucht, zwischen den einzelnen Gruppen zu vermitteln. Die aktuelle Auseinandersetzung beim Spiel bei Viktoria Köln wird vom Verein genau untersucht. Sollten gewaltbereite Randalierer ausfindig gemacht werden, wird der Verein entsprechend seinen Möglichkeiten reagieren.“
Genau hier zeigt sich das Problem im Umgang des Vereins mit der Thematik. Es werden zahlreiche Aussagen getätigt, während entsprechende Taten selten erfolgen und wenn, dann wenig konsequent. Ein grundsätzliches Problem stellt dabei auch die Tatsache da, dass das Eintreten für die Arbeit gegen Rassismus, Homophobie oder Sexismus (entsprechend dem Grundgesetz oder dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz) als „linksradikal“ oder „linke politische Agitation“ von Verantwortlichen und zahlreichen Fans bezeichnet wird bzw. wie Ronny Blaschke es ausdrückt: als „linksextrem dämonisiert“, während sich die KBU „unpolitisch“ gibt. Wenn eine derartige „Politik“ dann noch das Verhalten von Fans kritisiert, die schon Jahre zur lokalen Fanszene gehören, entstehen derartige Konflikte. Das Angebot, „zwischen den einzelnen Gruppen zu vermitteln“, verdeutlicht ebenso eine fragwürdige Wahrnehmung. Hier wurde ernsthaft gefordert, dass sich eine Fangruppe, die verfolgt und überfallen wird, mit den Täter_innen an einen Tisch setzt und „verhandelt“. Insgesamt zeigt sich hier, so Ronny Blaschke, ein „trauriges Sinnbild dafür, wie der Kampf gegen Rechts blockiert und gehemmt wird in Deutschland.“
An dieser Stelle sei ergänzt, wie schief zudem die öffentliche Diskussion um das Thema „Sicherheit/Gewalt im Stadion“ ist. Hier werden Aspekte wie „Pyrotechnik“, sogenannte „Platzstürme“, „die Ultrabewegung“ etc. miteinander vermischt, wobei die wichtigen Problemfelder „Rassismus/Rechtsextremismus im Fußball“ wenig Berücksichtigung finden. Eines von vielen Beispielen ist das ZDF-Sportstudio am 19.01.2013, als die Thematik „Sicherheit im Stadion“ den finalen Auftritt der ACU mit der Frage nach der Legalität von Pyrotechnik aufriss.
In Folge des vorbereiteten Rückzugs veröffentlichten die ACU eine Sonderausgabe ihres Fanzines Mullejan, in der sie Hintergründe und Erklärungen zu ihrer Entscheidung erläutern. Dem Artikel über die politische Dimension jeglichen Fandaseins folgen Erklärungen zu den einzelnen Spruchbändern beim Spiel in Köln.
Beim Benefizspiel gegen die Bayern am 20.01.2013 erfolgte der Versuch von Alemanniafans, ein Zeichen zu setzen. Das Motto lautete: „Wir sind die 99%! Gewaltfrei – Demokratisch – Alemannia – Fanatisch!“ und sollte durch ein gemeinsames Fanfoto im Anschluss an das Spiel dokumentiert werden. Von 31.600 Zuschauern kamen gerade mal 300 Fans! Parallel zu dieser Aktion veröffentlichte die Fan-IG eine Erklärung, u. a. mit folgender Aussage: „Wir verachten Gewalt, Rechtsextremismus und politische Agitation. Die Werte einer demokratischen Gesellschaft sind das Fundament unserer Gemeinschaft und unseres Vereins. Wer sie nicht achtet, hat in der Alemannenfamilie nichts verloren.“ Was mit „politischer Agitation“ gemeint ist, bleibt zweifelhaft! Und wie aussagekräftig derartige Verlautbarungen sind, hat die Vergangenheit und Gegenwart gezeigt. Die Aachener Zeitung berichtet zum Benefizspiel: „’Wunderbar’ findet den Tag auch Christian Außem. Der ständige Einsatzleiter der Polizei am Tivoli und seine Kollegen haben nämlich rein gar nichts zu vermelden in Sachen Fan-Randale. Im Gegenteil, es versammeln sich etliche Anhänger nach dem Spiel noch auf der Tribüne, um sich gegen Rassismus und Extremismus in der Fan-Szene zu positionieren. Auch das ein klares Zeichen.“ Im Klartext: Sind die Opfer erst weg, kehrt auch Ruhe ein! Martin Endemann vom Bündnis Aktiver Fußball-Fans (BAFF) wertet die Ereignisse in Aachen treffend: ‚Hier wird ein erschreckendes Signal gesendet: Es lohnt sich, andere Fans zu bedrohen, zu jagen und zu verprügeln.‘
Dem ist nichts hinzuzufügen.“
rb, Februar 2013
Links:
http://www.spiegel.de/sport/fussball/aachen-ultras-loesen-sich-auf-a-877215.html
http://www.zeit.de/sport/2013-01/aachen-ultras-fussball-rechtsextremismus
http://m.11freunde.de/article/260548?redirected=1
http://jungle-world.com/artikel/2013/02/46944.html
http://ultras-babelsberg.de/wordpress/?p=1728
http://www.br.de/on3/themen/welt/die-fankurve-als-brauner-treffpunkt-100.html
http://www.aachen-ultras.de/mullejan/mullejan_sonderausgabe.pdf
http://www.wdr.de/mediathek/html/regional/2013/01/20/cosmo-tv.xml
http://www.taz.de/Aachener-Ultra-ueber-Nazifans/!109553/
http://jungle-world.com/artikel/2013/04/47033.html