Ausgerüstet mit Spachteln, Schwämmen und Reinigungsmitteln machten sich am 28. April Schüler in vier verschiedenen Stadtteilen Pulheims auf, um Neonazipropaganda zu entfernen. Die Aktion stand unter dem Motto „Pulheim putzmunter gegen rechts“ und wurde von Schulen, christlichen Verbänden, sowie der Türkich-Islamischen Gemeinde unterstützt. Während die einen munter putzten, berichteten andere über massive Gewalt durch die Rechten im Ort. Fest steht: Pulheim hat ein Problem mit Neonazis. Ihre Protagonisten, die den Autonomen Nationalisten Pulheim angehören, zeigten auch während der Aktion demonstrativ Präsenz.
Beteiligung von Schulen
Auffällig viele Schüler aus der Unterstufe sind zum Pulheimer Marktplatz gekommen. Etwa eine Klassenstärke Jungen und Mädchen zwischen 10 und 11 Jahren hat sich hier versammelt. Motiviert wurden sie durch ihre Religionslehrerin bei der Aktion mitzumachen. In ihrer Schule, dem Geschwister Scholl Gymnasium, haben Schüler der Klasse 5b in der Woche zuvor bereits ein Mahnmal für die Opfer des Zwickauer Terrortrios erarbeitet und dort öffentlich präsentiert.
Aufgeteilt in Gruppen, materiell gut ausgerüstet und hoch motiviert ziehen sie los, um Sticker, Plakate und Graffiti zu beseitigen. Schnell stoßen Schwämme und Spachtel aber an ihre Grenzen. Zwar lässt sich aufgeklebte Propaganda damit einfach entfernen, doch gegen Graffiti können die Engagierten kaum etwas ausrichten. Auch daran haben die Organisatoren gedacht und stellen Formulare bereit in die alle Fundorte solcher Schmierereien eingetragen werden. Um die professionelle Reinigung soll sich später die Stadt kümmern.
Rechte Gewalt
Während der Putzaktion berichtet eine ältere Schülerin von rechten Vorfällen am Geschwister Scholl Gymnasium. Sie erzählt, Neonazis hätten mehrfach die Schule besucht, um dort Propaganda unter die Schüler zu bringen. „Sie verteilen Flyer, versuchen Mitschüler zu animieren denen beizutreten und sie von ihren Gedanken zu überzeugen“, beschreibt ihr Schulfreund, der ebenfalls an der Putzaktion teilnimmt, das Vorgehen der Rechten. Einmal, so die 16-jährige Schülerin sei eine Verteilaktion an der Bushaltestelle der Schule soweit eskaliert, dass sogar ein Papierkorb mit rechten Flyern in Brand gesetzt wurde. Seit dem verfüge die Schule über eine „braune Tonne“ in der die Schüler den „braunen Abfall“ fachgerecht und gefahrlos entsorgen können.
Auch an diesem Samstag sind wieder Mitglieder der Autonomen Nationalisten Pulheim (ANP) unterwegs. Aus einem Auto mit Kölner Nummernschild fotografieren zwei schwarz gekleidete Personen die aktiven NazigegnerInnen im Ortsteil Stommeln. In der Pulheimer Innenstadt konnte zeitweise ebenfalls eine schwarz gekleidete Person gesehen werden, die vorsichtig und aus einiger Entfernung die versammelten Nazigegner beobachtete. „Das ist immer so. Immer wenn Putzaktionen sind wird fotografiert“, sagt Katja, die gemeinsam mit ihrer Freundin Sophie in Stommeln Propaganda beseitigt. Das Beobachten ist Teil der in der Neonazi-Szene üblichen „Anti-Antifa-Arbeit“, bei der systematisch persönliche Daten und Fotos von antifaschistisch Engagierten gesammelt werden. So sollen politische GegnerInnen eingeschüchtert werden. Auf Stickern der Aktionsgruppe Rheinland, einem Zusammenschluss von Neonazigruppen, dem auch die ANP angehören, heißt es drohend: „Hasta la vista Antifascista“. Ein anderer propagiert „nicht reden, sondern handeln!“ und zeigt einen Nazi, der einem Antifaschisten mit der Faust ins Gesicht schlägt.
Die Autonomen Nationalisten aus Pulheim wenden auch ganz real Gewalt an. „An Weihnachten war ich mit Freunden in einer Pulheimer Kneipe“, schildert Katja einen rechten Übergriff in der Nachbarstadt Kölns. „Gerade als wir fahren wollten, ist ein Freund von mir von der Kellnerin herausgewunken worden und wurde dann übel zusammengeschlagen von der ANP. Weil er homosexuell ist. Die sind schon seit mehreren Jahren hinter dem her.“ Bei dem Angriff soll der Betroffene schwer verletzt worden sein. „Das ist kein Einzelfall“, ergänzt Sophie. „Die sind total gewalttätig!“. Die Polizei sehen sie trotzdem nicht unbedingt in der Position, das Problem mit den Rechten im Ort lösen zu können. Stattdessen wünschen sie sich noch mehr Aktionen und Aufklärung. Auch von den Kirchen erwarten die 17-jährigen mehr dauerhaftes Engagement gegen Nazis, ebenso wie sie Schulen eine größere Verantwortung in der Demokratieerziehung und der Prävention von braunem Gedankengut beimessen. Kritisch äußerten sie sich auch über den Rat der Stadt, der die Probleme mit den Rechten nicht ernst genug nähme.
Mit der couragierten Aktion konnte in Pulheim abermals ein deutliches Zeichen gegen Rechts gesetzt werden an der sich viele junge Schüler beteiligten. Die Resonanz in der Bevölkerung fiel durchweg positiv aus. Nach dem Tag steht aber auch fest: Es müssen noch viele weitere Maßnahmen unterschiedlicher gesellschaftlicher Akteure folgen, um den Rechten den Platz in Pulheim zu nehmen. Die jungen Leute haben vorgelegt. Jetzt sind erst Recht alle Anderen gefragt. (jmg)