Der Artikel wurde erstmals am 10.11.2022 auf der neuen Seite der mbr Köln veröffentlicht.
In der Nacht vom 09. auf den 10. November 1938 brannten überall im Deutschen Reich sowie in Österreich und in der Tschechoslowakei Synagogen. Geschäfte von jüdischen Inhaber*innen wurden geplündert und zerstört. Tausende Juden_Jüdinnen wurden misshandelt, verhaftet, getötet und/oder in den Suizid getrieben. Was konkret in der Nacht passierte, ist bis heute nicht hinreichend bekannt. So gibt es beispielsweise keine verlässliche Zahl der Opfer und es ist nur wenig über die Täter*innen der Nacht bekannt.
Die Reichspogromnacht kann als Einschnitt in die Geschichte der nationalsozialistischen Juden_Jüdinnenverfolgung gesehen werden, als Scharnier zwischen Ausgrenzung und Vernichtung, als Eskalationsstufe auf dem Weg in die Shoah. Weiter verdeutlicht sie die Rolle der vermeintlich passiven „Zuschauer*innen“ im Nationalsozialismus. Ihr Schweigen und Nicht-Eingreifen legitimierte den öffentlichen Gewaltausbruch und wurde in der Presse bzw. der nationalsozialistischen Propaganda als Zustimmung interpretiert. So kursierte die Erzählung eines spontanen „Volkszorns“, der sich in den Pogromen entladen hätte. Es handelte sich bei den Pogromen jedoch viel mehr um ein organisiertes Vorgehen.
Zwar gab es von Seiten der Mehrheitsbevölkerung auch Kritik gegenüber den gewalttätigen Ausbrüchen, diese richteten sich jedoch vor allem dagegen, dass Sachwerte wie Möbel etc. mutwillig zerstört wurden. Eine Solidarität mit der jüdischen Bevölkerung entstand daraus nicht.
In unmittelbarer Folge des Pogroms wurden im Winter 1938/39 über 30.000 Juden_Jüdinnen inhaftiert. Im Jahr 1933 zählte Köln 756.605 Einwohner*innen, davon 14.816 Juden_Jüdinnen. Sechs Jahre später, 1939, ist die gesamte Einwohner*innenzahl auf 768.352 gestiegen. Darunter waren jedoch nur noch 7.975 Juden_Jüdinnen.