Jahrestag des Solinger Brandanschlages auf das Wohnhaus der Familie Genç

Der Artikel wurde erstmals am 31.05.2022 auf der neuen Seite der mbr Köln veröffentlicht.

In der Nacht von dem 28. auf den 29. Mai 1993 wurde auf das Haus der Familie Genç in Solingen ein rassistisch motivierter Brandanschlag verübt. Gürsün İnce (geboren am 4. Oktober 1965), Hatice Genç (geboren am 20. November 1974), Gülüstan Öztürk (geboren am 14. April 1981), Hülya Genç (geboren am 12. Februar 1984) und Saime Genç (geboren am 12. August 1988) kamen durch die Flammen ums Leben. Siebzehn Menschen erlitten zum Teil bleibende Verletzungen.

Die Bewohner*innen des Hauses schliefen, als vier Neonazis das Fachwerkhaus in Brand setzen. Als die Feuerwehr eintraf loderten die Flammen bereits aus den Fenstern. Gülüstan Öztürk war an dem Wochenende zu Besuch bei der Familie Genç. Sie verstarb mit Hülya und Hatice Genç im Haus. Gürsün İnce und ihre Tochter Saime Genç überlebten den Sprung aus dem Fenster nicht.

Der rassistisch motivierte Brandanschlag in Solingen stellte kein Einzelfall dar. Vielmehr lässt er sich in eine Reihe von rassistischen Angriffen einordnen. Knapp sechs Monate vorher verübten Neonazis in der Nacht vom 23. auf den 24. November 1992 in Mölln einen Brandanschlag und ermorden die zehnjährige Yeliz Arslan, die vierzehnjährige Ayşe Yilmaz und die einundfünfzigjährige Bahide Arslan.

Am Abend des 17. Septembers 1991 begannen tagelang andauernde rassistische Ausschreitungen in Hoyerswerda, die erst am 23. September mit der Kapitulation vonseiten der Polizei und Politik endeten. Die Pogrome in Hoyerswerda waren der Auftakt einer ganzen Reihe rassistischer Ausschreitungen in den 90er-Jahren. Im Mai 1992 kam es im Mannheimer Stadtteil Schönau zu rassistischen Angriffen auf eine Unterkunft für geflüchtete und fliehende Menschen. Im August des gleichen Jahres wurde unter dem Beifall vieler Nachbar*innen und zahlreichen Zuschauer*innen die „Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber*innen“ und das angrenzende Wohnheim für Vertragsarbeiter*innen in Rostock-Lichtenhagen angegriffen.

Am 26. Mai 1993 wurde das Grundgesetz geändert und das Asylgesetz, welches allen politisch Verfolgten einen Rechtsanspruch auf Asyl einräumte, stark eingeschränkt. All dies geschah drei Tage nach dem Brandanschlag in Solingen. Zwar handelte es sich bei der Familie Genç nicht um Asylbewerber*innen, dennoch wurde die verstärkte rechte Gewalt der damaligen Zeit im geführten Diskurs auf Fehler in der deutschen Asylpolitik sowie die hohe Zahl an Asylbewerber*innen zurückgeführt. Auf diese Erklärungsansätze reagierte die Politik. Die rassistischen Täter*innen fühlten sich dadurch gestärkt und konnten sich als Vollstrecker*innen des „Volkswillens“ imaginieren, indem sie Menschen aus der Mitte dessen, was sie als Volksgemeinschaft betrachteten, gewaltsam entfernten.

Rassistische Gewalt und rassistische Morde halten bis heute an. All dies zeigt, wie wichtig eine Zivilgesellschaft ist, welche sich gegen Rassismus positioniert und der homogen imaginierten „Volksgemeinschaft von rechts“ eine Absage erteilt. (rh)

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