Pro-russische Proteste auch im Regierungsbezirk Köln

Der Artikel wurde erstmals am 26.04.2022 auf der neuen Seite der mbr Köln veröffentlicht.

Am 27. März 2022 wurde sowohl die Polizei als auch die Zivilgesellschaft in Köln und Bonn von einem vorgeblich spontan angemeldeten pro-russischen Autokorso überrascht. 300-400 Autos fuhren am Sonntagmittag von Köln zu einem sowjetischen Ehrenmal auf dem Neuen Friedhof in Bonn-Duisdorf. Wie der Polizeimeldung zu entnehmen ist, wurden die Teilnehmenden auf den Parkplatz eines Baumarktes in Bonn-Duisdorf geleitet. Von hier aus zogen um die 500 Teilnehmenden zu dem Friedhof, wo Blumen niedergelegt wurden. Der Zug wurde von vielen russischen Fahnen begleitet. Parallel trafen sich um die 60 Teilnehmende am russischen Generalkonsulat. Auch hier wurden russische Fahnen geschwenkt.

Allerdings wurden auf der als „Friedensdemo“ deklarierten Veranstaltung auch militärische und nationalistische Symbole gezeigt, etwa die russische Seekriegsflagge, das „Georgsband“ und das „Z“-Symbol. Letzteres symbolisiert die Unterstützung des russischen Angriffskrieges und wurde an mindestens zwei Autos festgestellt. Da wundert es kaum, dass laut General Anzeiger Bonn am Rande des Korsos ukrainische Geflüchtete beschimpft wurden.

Mitglieder der rechten, nationalistischen, orthodoxen und Putin-treuen Rocker-Gruppierung „Nachtwölfe“ waren ebenfalls anwesend. Schon zwei Wochen vorher standen zehn „Nachtwölfe“ eine Stunde vor dem russischen Konsulat in Bonn. Focus Online vermutet dahinter ein symbolisches „Wache stehen“, nachdem zuvor ein Drohbrief im Konsulat einging. Bei den „Nachtwölfen“ handelt es sich um einen etwa 5.000 Mann starken (andere Geschlechter sind nicht zugelassen), ultranationalistischen, antisemitischen, queerfeindlichen und christlich-orthodox orientierten Motorradclub unter Leitung von Alexander Saldostanow. Saldostanow bezeichnete die Demokratie in der Vergangenheit als „teuflisch“, den Westen als „Satan“ und Stalin als Idol. Er wurde von Putin persönlich ausgezeichnet, da die Nachtwölfe schon seit Jahren in der Ukraine und auf der Krim aufseiten Russlands aktiv in den Konflikt einwirken. So zeigte sich Putin in der Vergangenheit gerne gemeinsam mit den „Nachtwölfen“ in der Öffentlichkeit.

Unklar ist, wer hinter der offensichtlich gut organisierten Aktion steckt: Es wurde im Vorfeld ohne Anmeldung über Facebook mobilisiert und die Autos kamen aus ganz Deutschland, wie der General Anzeiger Bonn berichtete. Es waren mehrere unabhängige Kolonnen unterwegs – am Startpunkt in Köln war der Korso noch etwa 100 Autos stark, in Bonn waren es dann schon um die 400 Autos. Der Aufzug wurde im russischen Staatsfernsehen übertragen und innerhalb von 14 Tagen fast identisch in vielen verschiedenen Ländern organisiert. Laut dem Bonner Konfliktforscher und Politikwissenschaftler Prof. Andreas Heinemann-Grüder fanden ähnliche Korosos in Israel, Zypern, Libanon, Armenien, Serbien, Montenegro und in mehreren russischen Städten statt. Auch in Deutschland wiederholte sich die Aktion, unter anderem in Berlin, Lübeck, Stuttgart, dem Allgäu und Hannover. Die Anmelder*innen vor Ort seien aber, so Heinemann-Grüder im WDR, „nur Durchführungsorgane“. Die orchestrierte, globale Planung spräche für eine zentrale Organisierung der pro-russischen Proteste in Moskau.

Für den 8. Mai, den Tag der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands 1945, planen die lokalen Initiator*innen des Autokorsos in Köln-Bonn eine erneute Aktion. Laut General Anzeiger Bonn wollen die pro-russischen Demonstrierenden zu einer bei der Polizei angemeldeten Aktion an einen Kölner See mobilisieren und von dort aus ein sowjetisches Mahnmal auf dem Stadtgebiet von Köln ansteuern. Dort wollen sie vor allem den sowjetischen Opfern des zweiten Weltkrieges gedenken. Eine Instrumentalisierung des Themas für die aktuelle Kriegspolitik Putins bleibt zu befürchten. (dp)

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