Der Artikel wurde erstmals am 06.04.2022 auf der neuen Seite der mbr Köln veröffentlicht.
Am Mittwoch, den 06. April 2022, jährt sich der Mord an Halit Yozgat zum sechzehnten Mal. Halit Yozgat wurde 1985 als Sohn einer aus der Türkei zugewanderten Arbeiter*innenfamilie in Kassel geboren. Im Jahr 2003 nahm er die deutsche Staatsbürgerschaft an. Im Herbst des darauffolgenden Jahres machte er sich mit einem Internetcafé in Kassel selbstständig. Das Café lag in der gleichen Straße, in welcher er lebte und geboren wurde und entwickelte sich zu einem Treffpunkt für Jugendlichen aus der Kasseler Nordstadt.
Im Februar 2006 meldete sich Halit Yozgat bei einer Abendschule an, um neben der Arbeit sein Abitur nachzuholen. Nur wenige Monate danach, am 06. April 2006, wurde der damals 21-Jährige durch zwei gezielte Pistolenschüsse in den Kopf ermordet. Er starb in den Armen seines Vaters, der kurz darauf zurück ins Geschäft kam. Halit Yozgat war das neunte Opfer in einer Reihe von rassistisch motivierten Morden der Rechtsterrorist*innen des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Seine Eltern setzen sich seit der Ermordung ihres Sohnes Halit dafür ein, dass die Straße in „Halit-Straße“ umbenannt wird und zum öffentlichen Gedenken beträgt.
Die später eingesetzte polizeiliche Ermittlungseinheit suchte zunächst vor allem Verbindungen zwischen den Opfern der NSU-Mordserie. Ermittelt wurde vorrangig in Richtung von Waffen- oder Drogenhandel und von Spiel- oder Wettschulden. Die Polizei hörte Telefone der Eltern ab und observierte Halits Vater İsmail sogar eine Weile. İsmail Yozgat beschreibt die Zeit danach bis zur Selbstenttarnung des NSU 2011 für die Familie wie folgt: „Fünfeinhalb Jahre haben wir uns nicht getraut hinauszugehen als Familie! Alle haben uns feindselig angeschaut, Deutsche wie Türken. Alle fragten: Warum haben sie deinen Sohn getötet – wegen Haschisch? Heroin? Wegen der Mafia?“.
Die Morde des NSU und der gesamte NSU-Komplex sind nicht lückenlos aufgeklärt und gerade in Kassel werden die Ungereimtheiten sichtbar: Zur Tatzeit war ein Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes, der V-Mann-Führer Andreas Temme, am Tatort. Er hatte zunächst versucht, seine Anwesenheit während des Mordes zu verschleiern und behauptet bis heute von alledem nichts mitbekommen zu haben. Er wurde jedoch von einer Überwachungskamera aufgezeichnet. Ein forensisches Gutachten schlussfolgerte, dass Temme die Schüsse gehört sowie das Blut auf dem Tresen und den im Sterben liegenden Halit Yozgat gesehen haben muss.