Der sogenannte Volkstrauertag fiel dieses Jahr auf den 14. November. Er ist ein staatlicher Gedenktag für „alle Opfer von Gewalt und Krieg“ (wobei sich hier vor allem auf die beiden Weltkriege bezogen wird), der eine ambivalente Geschichte hat: 1934 erklärte ihn die NSDAP zum „Heldengedenktag“. In der extremen Rechten ist er daher ein fester Termin der Geschichtsverklärung und kollektiven Identitätsstiftung. Vor allem bis in die 1980er-Jahre hinein verknüpfte sich das offizielle staatliche und bürgerliche Gedenken oft mit einer Schuldabwehr, die die gefallenen deutschen Soldaten und Zivilist*innen als unschuldig verklärt. Dies findet auch heute noch teilweise statt. Ausschließlich die Führungsriege des NS-Staates und die SS werden hierbei als Täter*innen markiert. Damit werden auch die aktive Mitarbeit und das weithin tatenlose Zuschauen der deutschen zivilen Mehrheitsgesellschaft sowie die Verbrechen der Wehrmacht und der Polizeibehörden ignoriert, umgedeutet, abgelehnt, geleugnet oder entschuldigt.
Was im etablierten Diskurs eher subtil angelegt ist, wird im „Gedenken“ extrem rechter Akteur*innen oft zur offenen Täter-Opfer-Umkehr. Nicht nur der jährlich wiederkehrende „Trauermarsch“ in Remagen für die Opfer der Rheinwiesenlager, an dem dieses Mal nur noch knapp 56 Personen aus dem militanten Neonazi-Spektrum unter anderem auch aus Aachen, dem Ruhrgebiet und dem Rheinland teilnahmen, ist dafür ein gutes Beispiel. Zum Standardrepertoire extrem rechter Aktionen gehören auch das „Heldengedenken“ auf Soldatenfriedhöfen und an entsprechenden Denkmälern. So veranstaltete die NPD am 14. November 2021 ein „Heldengedenken“ in Mönchengladbach, an dem auch der stellvertretende NRW-Landesvorsitzende der Partei „Die Rechte“, René Laube (Kreis Aachen), teilnahm. Auch der „Die Rechte“-Kreisverband Rhein Erft führte ein Gedenken durch, indem Mitglieder Kerzen auf einen Soldatenfriedhof abstellten.
Die AfD betrieb ebenfalls eine gefährliche Umdeutung und Relativierung. So heißt es etwa auf derFacebook-Seite des AfD-Kreisverbandes Bonn: „Das Leid unser Großväter und Urgroßväter ist uns Mahnung und Auftrag zugleich: Wir dürfen nicht vergessen, woher wir kommen, wer wir sind und wohin wir gehen.“ Aus Tätern werden hier Opfer gemacht und statt einer Erinnerung an die Schrecken von Krieg und Faschismus sieht die AfD im Gedenken eine Möglichkeit der völkischen und nationalistischen kollektiven Identitätsstiftung. Bei der AfD Oberberg heißt es, die „Tausenden und Abertausenden“ die den „Dienst mit der Waffe“ leisteten, seien „um ihr Leben betrogen“ worden. Auch hier werden deutsche Täter zu Opfern gemacht. Die AfD Köln, die einen Kranz auf dem Melatenfriedhof und an der offiziellen städtischen Gedenkveranstaltung in der Kirchenruine Alt St. Alban niederlegte, gedachte ihrer Aussage nach „den Opfern von Krieg und Vertreibung“, womit sie den Fokus auf die Nachkriegszeit lenkte – und damit weg von der deutschen Schuld am Weltkrieg und der Shoa.
Traditionell wird der Volkstrauertag auch von den deutschen Burschenschaften begangen. Unter anderem die Aachener Burschenschaften „Teutonia“, „Alania“ und „Libertas“ und die Kölner Burschenschaft „Germania“ waren bei der traditionellen Kranzniederlegung am deutschen Soldatenfriedhof im belgischen Langemarck dabei. Dort wird einer Schlacht aus dem Ersten Weltkrieg gedacht, die im Anschluss ideologisch und propagandistisch verklärt wurde, unter anderem auch von den Nationalsozialisten. Die Burschenschaft „Frankonia“ aus Bonn legte einen Kranz auf dem Alten Friedhof Bonn ab, die „Alemannia Köln“ beteiligte sich am städtischen Gedenken bei Alt St. Alban.
Die „Junge Alternative NRW“ wiederum postete auf Facebook ein Video von dem Lied „Ich hatt ́ einen Kameraden“, gesungen von einem Sänger namens „Der Michel“. Das Bild zeigt den Titel in Frakturschrift und einen Soldaten mit altem Stahlhelm im Schützengraben. „Der Michel“ interpretiert sonst auch gerne Lieder mit so aussagekräftigen Namen wie „Freikorps voran“, „Stolz weht die Flagge Schwarz-Weiß-Rot“, „Ahnengedenken“ oder „Heil Dir im Siegerkranz – Die Kaiserhymne“. Das Lied „Freikorps voran“ wird übrigens auch von der extrem rechten Splitterpartei „Der III. Weg“ auf ihrer Homepage empfohlen. (dp)