Im Juni 2021 veröffentlichte die Unabhängige Kommission Antiziganismus (UKA) unter dem Titel „Perspektivwechsel – Nachholende Gerechtigkeit – Partizipation“ ihren ersten Bericht, der am 4. und 5. Juni im Rahmen einer Online-Veranstaltung der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Die Kommission besteht seit März 2019 und setzt sich aus elf Personen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Angesiedelt ist sie beim Bundesinnenministerium.
Der nun vorliegende über 800 Seiten starke Bericht stützt sich auf 15 aktuelle von der Kommission in Auftrag gegebene empirische Einzelstudien, die insbesondere die Perspektiven der Betroffenen aufgreifen. Das Ergebnis des Berichts fällt verheerend aus: „Antiziganismus stellt ein massives gesamtgesellschaftliches Problem in Deutschland dar“ heißt es dort. Antiziganistischer Rassismus sei eine „allumfassende Alltagserfahrung für Sinti_ze und Rom_nja“. Der Bericht spricht von einem „Versagen deutscher Politik, deutscher Gesetzgebungen und deren Rechtsanwendung“. Zudem fehle bis heute eine umfassende Anerkennung der Verbrechen aus der Zeit von 1933-1945. Aber auch das begangene Unrecht nach 1945, das die Expert*innen als „zweite Verfolgung“ bezeichnen, müsse aufgearbeitet werden.
Neben 60 spezifischen Empfehlungen richtet der Bericht sechs zentrale Forderungen an Bundesregierung und Bundestag. Neben den genannten Forderungen nach Anerkennung und Aufarbeitung soll der Kampf gegen Antiziganismus durch Berufung eines*r Bundesbeauftragten und einer ständigen Bund-Länder Kommission verstetigt werden. Ebenso sollen Partizipationsstrukturen für die Communities der Sinti_ze und Rom_nja geschaffen werden. Geflüchtete Rom_nja sollen als besonders schutzwürdige Gruppe eine dauerhafte Bleibeperspektive in Deutschland erhalten.
Der Bericht bestätigt damit, wofür sich Selbstorganisationen, zivilgesellschaftliche Initiativen und Wissenschaftler*innen seit Jahrzehnten einsetzen. Eine verbindliche Umsetzung der Forderungen ist mehr als wünschenswert. Inwieweit dies zu den Prioritäten einer künftigen Bundesregierung und eines neu gewählter Bundestags gehören wird, bleibt abzuwarten. Dass der Bericht bisher fast vollständig von der Öffentlichkeit und vor allem den Medien ignoriert wurde, kann allerdings als I-Tüpfelchen der desolaten Lage betrachtet werden. Insofern ist es auch Aufgabe von Initiativen und Organisationen, Druck auszuüben und die Politik in die Pflicht zu nehmen.
Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma hat eine ausführliche Stellungnahme zum Bericht der UKA veröffentlicht.
Den Bericht selbst finden Sie hier.