8. Mai – Tag der Befreiung

© National Archives and Records Administration

Vor 76 Jahren, am 8. Mai 1945, war mit der Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht die militärische Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus beendet. Informationen zur Gedenkstunde für die Opfer der NS-Diktatur in Köln finden Sie hier.
Der 8. Mai ist nicht nur in historischer und erinnerungspolitischer Hinsicht von Bedeutung, sondern prägt nach wie vor öffentliche Debatten. Auch für die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus zeigt sich die Thematik immer wieder in Beratungsanfragen. Seit Jahren versucht die extreme Rechte, das Datum des Kriegsendes umzudeuten, indem sie die Befreiung durch die Alliierten als „Besatzung“ und Schrecken für die deutsche Bevölkerung bezeichnen. Die immer wieder aufgerufenen Mythen, Erzählungen und Referenzfiguren können als „Erinnerungsorte der extremen Rechten“  bezeichnet werden. Dazu zählen die „traditionelle Gräberpflege“ oder Flyeraktionen unter dem Motto „Kein Grund zum Feiern“, wie sie beispielsweise von der neonazistischen Kleinstpartei „Die Rechte“ im Rhein-Erfts-Kreis inszeniert werden. Dazu sind aber auch Aussagen von AfD-Funktionären wie Alexander Gauland zu rechnen, der die Initiative Berlins, den Tag der Befreiung zu einem Feiertag zu machen, wie folgt kommentierte: „…es war auch ein Tag der absoluten Niederlage, ein Tag des Verlustes von großen Teilen Deutschlands und des Verlustes von Gestaltungsmöglichkeit.“
In den vergangenen Jahren konnte die Mobile Beratung verschiedene Beratungsnehmende dabei unterstützen und beraten, sich gegen rechte Propaganda und Agitationen aufzustellen. So die Verantwortlichen für die Pflege von Kriegsgräberstätten, die sich wünschen extrem rechte Symbolpolitik erkennen, um diese entfernen zu können. Oder Museen oder kulturelle Einrichtungen, die das Thema durch Ausstellungen thematisieren und sich auf zu erwartende Hassnachrichten auf Social Media vorbeireiten möchten, um auf diese angemessen reagieren zu können. Auch Nachfragen von Privatpersonen, die extrem rechte bis nationalsozialistische Symbolpolitik in ihrer Nachbarschaft oder ihrem erweiterten sozialen Nahraum bemerken, nehmen die Mitarbeiter*innen der Mobilen Beratung bezogen auf den 8. Mai vermehrt wahr.

Geschichtspolitik der extremen Rechten
In der extremen Rechten sind die Bezüge auf Geschichte und Geschichten omnipräsent. Analytisch lassen sich drei Motive funktional unterscheiden:

1.) Indienstnahme von Geschichte als identitätsstiftendes (überzeitliches) Narrativ:
Mit erinnerungspolitischen Inszenierungen vergewissern sich die Anhängerinnen und Anhänger der extremen Rechten, Teil einer über Generationen hinweg bestehenden „Geschichte der Deutschen“ zu sein, zu der sie qua Abstammung gehören. Das „deutsche Volk“ wird als eine „Schicksals- und Kampfgemeinschaft“ gesehen; verbunden durch eine vermeintlich mehr als zweitausendjährige Geschichte und geprägt durch (ihm angeblich stets aufgezwungene) Kriege, Leid und erbrachte Opfer. Die Phase des Nationalsozialismus als konsequenter Versuch, eine „Reinheit des Volkes“ herzustellen, ist dabei die bedeutsamste, die in extrem rechten Formen der Erinnerungen aufgerufen wird. In der nach innen gerichteten Kommunikation über den Nationalsozialismus stehen weniger die Leugnung oder Relativierung der Verbrechen im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Betonung des Heroischen – ein Charakterzug des deutschen Volkes, der im Krieg besonders zum Tragen gekommen sei – sowie das Hervorheben der „eigenen“ Opfer

2.) Präsentation eines Wahrheit behauptenden Narrativs über die „deutsche Geschichte“:
In öffentlichen Wortmeldungen der extremen Rechten, sei es in den Landtagen, auf der Straße, auf politischen Versammlungen oder in den Medien, dient die eigene Erzählung primär der Abwehr einer aus Perspektive der extremen Rechten das „deutsche Volk“ diffamierenden Geschichtsschreibung. Sie bedient sich dabei in der Regel jedoch nicht einer grundsätzlichen Erfindung oder Negation (zum Beispiel im Rahmen der Holocaustleugnung) von geschichtlichen Ereignissen, sondern einer Vermischung von tatsächlichen historischen Begebenheiten, Verkürzungen, mangelnder Kontextualisierung, Verabsolutierung der Erfahrungen Einzelner, Fehlinterpretationen, Verdrehungen – und eben auch erfundenen Ereignissen. Damit entstehen fiktionale Gegenerzählungen, die mitunter aber eine große Popularität entfalten können – besonders dann, wenn sie an Narrative anschließen, die zumindest in einem nennenswerten Teil der Bevölkerung Zustimmung finden oder lokal verankert sind. Ein Beispiel für die Vermischung von Tatsachen, bewussten Auslassungen und Fiktionen sind die jährlichen Neonaziaufmärsche zur Erinnerung an die „Rheinwiesenlager“, über die auch die MBR Köln jährlich berichtet.

3.) Täter-Opfer-Umkehr und Stilisierung als Aufklärer:
Die extreme Rechte versucht mit ihren Aktionen, Deutsche als die „eigentlichen Opfer“ in den Fokus zu rücken, um im Rahmen einer Täter-Opfer-Umkehr die begangenen Verbrechen zu relativieren und die Schuld der damaligen Generation, in ihrer Diktion des „deutschen Volkes“, zu negieren. Ausdrücke wie „Massenmord“, „Ausrottung“ oder „Vernichtung“, die in der Öffentlichkeit mit den NS-Verbrechen assoziiert werden, werden gezielt in den Diskurs eingespeist, um sie neu zu besetzen. Bei der Thematisierung der Shoa hingegen wird wahlweise von „Holocaustindustrie“ oder „Holocaustreligion“ gesprochen und bei Wortmeldungen zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Verbrechen werden beispielsweise Begriffe wie „Nationalmasochismus“, „Selbsthass“ und vor allem „Schuldkult“ bemüht:
Offen zutage tritt hier ein sekundärer Antisemitismus, ein Judenhass aus dem Motiv der Erinnerungsabwehr heraus, der sich (überspitzt) auf den Punkt bringen lässt: „Antisemitismus nicht trotz, sondern wegen Auschwitz“. Längst hat die Rede vom „Schuldkult“ das neonazistische Milieu verlassen und wird auch von anderen Akteuren der (extremen) Rechten wie selbstverständlich benutzt.
Weitere Informationen zur Geschichtspolitik der extremen Rechten finden Sie in einem Artikel von Hans-Peter Killguss und Martin Langebach.

Kriegsenden in Köln
Die Stimmung in Köln vor dem Einmarsch der alliierten Truppen schwankte zwischen Verzweiflung und Hochstimmung, Vorfreude auf das ersehnte Ende der Luftangriffe und Angst vor einer völlig unsicheren Zukunft. Als die US-Truppen am 6. März 1945 dann bis zum Dom vorrückten, waren sie erstaunt, auf wie wenig Widerstand sie stießen. In den Wohnstraßen dominierten weiße Fahnen, und die meisten der in der Stadt ausharrenden Kölner*innen zeigten sich erleichtert, dass mit der Ankunft der Sieger endlich auch das Ende des Bombenkrieges gekommen war.
Die Bewohner der rechtsrheinischen Stadtteile mussten hingegen noch mehrere Wochen auf ihre Befreiung warten. Nachdem Pioniere der Wehrmacht mit der Hohenzollernbrücke unmittelbar vor Ankunft der US-Truppen den letzten Rheinübergang gesprengt hatten, dauerte es bis Mitte April, bis diese – von Remagen kommend – auch das rechtsrheinische Köln erreichten. Es vergingen weitere drei Wochen, bis ab dem 8. Mai 1945 dann mit der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches endlich die Waffen zumindest in Europa endgültig schwiegen. So erlebten die Kölner*innen im Frühjahr 1945 gleich drei „Kriegsenden“.
Nur wenige Kölner*innen besaßen 1945 die Einsicht und die Kraft, die Frage nach den Verantwortlichen für die Verbrechen der vergangenen zwölf Jahren und jene nach einer etwaigen eigenen Verstrickung ins NS-System selbstkritisch zu beantworten. Stattdessen sah sich die Mehrheit selbst als Opfer und verdrängte über Jahrzehnte erfolgreich alles, was diese Sicht in Frage stellte.
Eine persönliche Verantwortung für die NS-Verbrechen wurde ebenso vehement bestritten wie der Vorwurf, selbst von den Angeboten des NS-Regimes profitiert und von ihm angebotene Aufstiegsmöglichkeiten wahrgenommen zu haben. Plötzlich waren nahezu Mitglieder nur unter Zwang in die NSDAP eingetreten und beschwerten sich vehement über die aus ihrer Sicht ungerechte Entnazifizierung.
Als der Krieg dann am 8. Mai 1945 endlich auch sein offizielles Ende fand, blickten auch die Kölner*innen voller Sorgen in eine ungewisse Zukunft – und begannen mit dem Wiederaufbau.
2020 präsentierte das NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln anlässlich dem 75. Jahrestag des Kriegsendes unter dem Titel „Kriegsenden in Köln – Stadt und Menschen zwischen dem 6. März und dem 8. Mai 1945“ eine Kombination aus Video- und Audioinstallationen, Film-/Bild-Projektionen, Graphic Novels und weiteren medial aufbereiteten Inhalten. Auf der Website können Sie in sieben Kapiteln den damaligen Geschehnissen folgen. Ein 360-Grad-Rundgang vermittelt umfassende Einblicke in die im Gewölbe des EL-DE-Hauses präsentierten Video- und Audioinstallationen. Zur Webseite gelangen Sie hier.

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