„Spazieren mit dem Grundgesetz“ und rechte Kundgebungen am 01. Mai

Am 5., 12. sowie am 19. April kam es in Köln zu mehreren „Spaziergängen mit dem Grundgesetz“. Aufgerufen zu den Aktionen hatten u.a. Personen, die aus dem Umfeld der „Patrioten in Köln“ kommen und sich über den Messengerdienst Telegram organisieren und austauschen. An allen Tagen verteilten die Teilnehmer*innen Grundgesetze und Flyer der Internetplattform „Deutschland sucht das Grundgesetz“. Initiiert wurde diese durch Jörg B. („Jay“), der auf diese Weise ein Netzwerk für all jene entstehen lassen will, die sich fragen „ob dass [sic ]Grundgesetz (Artikel [sic] 1 bis 20) nicht auch in Krisenzeiten unangetastet bleiben sollte.“
In einem auf YouTube veröffentlichen Interview bezieht sich B. auf Artikel 20 (3) des Grundgesetzes, welcher sich auf die verfassungsmäßige Ordnung der BRD bezieht und weiter sagt: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“
Der vermeintlich korrekte Bezug auf das Grundgesetz wird mit gängigen Verschwörungsfantasien verknüpft, wie z.B. der Annahme, die WHO sei korrupt und ein „Verein der Pharmaindustrie“. Dazu kommt die in verschwörungsideologischen Kreisen weit verbreitete Idee, dass bestimmte Personen die Welt kontrollieren, mit dem Ziel die Bevölkerung zu beherrschen und zu versklaven.

Der „Spaziergang“, der am 19. April stattfand, stand neben der „Verteidigung des Grundgesetzes“ auch gegen die von Bund und Land auferlegten Corona-Schutzmaßnahmen. Es versammelten sich Personen (die Monate zuvor auch bei den Demonstrationen rund um den WDR aktiv waren) aus dem rechten und rechtsesoterischem Spektrum, Personen aus Kreisen der Verschwörungstheorien und der Reichsbürger*innenszene oder so genannte „Wutbürger*innen“. Aber auch Personen, die (bislang) keinem politischen Spektrum konkret zugerechnet werden können. Als Rednerin trat die selbsternannte Auraleserin und Herz-Coach Johanne L. auf, die u.a. Werbung für die o.g. Telegramgruppe macht, vor Impfungen warnt und dazu aufruft, keine Krankenhäuser aufzusuchen, da dort tödliche Medikamente verabreicht würden. Die Polizei nahm Personalien auf und erteilte Platzverweise. Aus dem Kreis der anwesenden Personen ertönte die in der rechten Szene gern genutzte Parole „Wir sind das Volk.“ Ähnliche kleinere Aktionen waren in den vergangenen Wochen auch bundesweit bemerkbar. So ruft z.B. der rechte Aktivist Henryk S. in den sozialen Medien und über verschiedene Messenger zu „bundesweiten Demonstrationen gegen das Grundgesetz“ an jedem Samstag und „in jeder Großstadt“ auf.

Am Sonntag, 26. April kam es erneut zu Kundgebungen die parallel am Heumarkt, dem Roncalliplatz sowie dem Chlodwigplatz stattfanden. Diese liefen unter dem Motto „Wir mahnen den Erhalt der Grundrechte auch in Krisenzeiten“. Als Anmelderin trat wieder Johanne L. in Erscheinung. Die Kundgebung am Sonntag verlief mit einigen Tumulten und Pöbeleien, sodass die Polizei einschreiten musste. Am Chlodwigplatz zeigte eine Teilnehmerin den Hitlergruß.
Auch zum 01. Mai riefen Personen aus den besagten Spektren über Telegram und Facebook zu verschiedenen Kundgebungen auf, die am Heumarkt sowie im Stadtteil Weiden geplant waren. Ebenso wurden verschiedene Treffen und „Spaziergänge“ ausgehend vom Dom und dem nahe gelegenen Alter Markt initiiert.
Mit von der Partie war diesmal Ulrike H., die sich für zahlreiche kleine Kundgebungen der rechten Kleinstgruppierung „Widerstand steigt auf“ verantwortlich zeichnet. Eine Versammlung am 1. Mai richtete sich gegen die NWO. Die Abkürzung bezieht sich auf die „New World Order“, eine in extrem rechten wie auch verschwörungsideologischen Kreisen verbreitete Vorstellung, nach der eine Elite oder Geheimbünde angeblich eine Weltregierung installieren will. Auch Jay B. und Johanne L. (ibs-Newsletter Mai 2020) bewarben die Kundgebungen auf ihren Social-Media-Kanälen. Dass sich die Kundgebungen von der Forderung, das Grundgesetz zu schützen, nun auf die die Kritik an der „NWO“ verlagert hat, zeigt die mittlerweile deutlich rechte und insbesondere antisemitische Ausrichtung der in dem Sammelbecken befindlichen Personen. Neben der Kundgebung aus den rechtsesoterischen und verschwörungstheoeretischen Spektren (bzw. teilweise am Rande davon), war auch die rechte Gruppierung „Begleitschutz Köln“ mit Transparenten vertreten. So beobachteten diese die gleichzeitig stattfindenden linken Kundgebungen zum 1. Mai, zudem filmte die rechte YouTuberin Lisa Licentia Geschehen in der Innenstadt. Bislang (Stand: 05.05.) lassen sich aber keine Veröffentlichungen dazu im Netz finden. (kt/kg/rh)

 

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