Zwei Neonazis schlagen einer jungen Frau mehrfach gegen den Kopf. Die Szene wurde gefilmt. Sie ereignete sich am Samstagabend in einer Regionalbahn im Bonner Hauptbahnhof. Was dort genau geschah, ist bislang noch unklar und Gegenstand polizeilicher Ermittlungen. Sicher ist, dass sich sowohl eine Gruppe Neonazis als auch eine Gruppe Antifaschist*innen auf der Abreise aus Remagen befanden und in Bonn aufeinandertrafen.
In Remagen sorgte die Polizei noch für eine strikte Trennung beider Gruppen. Während die Neonazis abreisten, sperrte die Polizei den Bahnhof für die Gegendemonstrant*innen und hob diese Sperrung erst nach der Abreise der Neonazis auf.
Ob die Neonazis in Bonn gezielt auf den späteren Zug mit den Gegendemonstrant*innen an Bord gewartet haben, lässt sich derzeit nicht sagen. Unklar ist auch, warum offenbar keine szenekundigen Polizisten die Abreise der Neonazis überwachten, die den Gewaltausbruch hätten verhindern können. Fakt ist, dass die Antifaschist*innen ihren Zug in Bonn verließen und die Neonazis in diesen Zug einstiegen sowie die Frau schlugen. Das Bündnis NS-Verherrlichung stoppen spricht in einer Mitteilung von weiteren Attacken der Neonazis, die auch mit Quarzsand gefüllte Lederhandschuhe, einen Totschläger aus Metall und einen Feuerlöscher aus dem Zug als Schlagwaffen eingesetzt haben sollen. Einige Angreifer identifiziert das Bündnis namentlich, darunter vor allem Sympathisanten des Duisburger Ablegers der Partei Die Rechte. Laut Presseberichten sollen in Bonn 80 bis 100 Antifaschist*innen auf rund 20 Neonazis getroffen sein.
„Ihr ungewaschenes Maul einschlagen“
Der realen Gewalt in Bonn waren verbale Ankündigungen in Remagen vorausgegangen. Sven Skoda, Bundesvorsitzender der Partei Die Rechte, hatte in seiner Rede gesagt: „Die Leute, die hier versammelt sind heute, knapp 150 deutsche Männer und Frauen, das sind die gleichen, die ihr Neonazis nennt. Denen ihr ständig Mord und Totschlag unterstellt. Und wenn wir dieses Mordgesindel wären, von dem ihr sprecht, glaubt ihr, dann würden wir darüber hinwegsehen, wenn sich die gymnasiale Oberstufe eines Koblenzer Gymnasiums uns in den Weg setzt und ein bisschen schreit? Nee, wir würden das als Einladung sehen. Wir würden das als Einladung sehen, diesen Leuten endlich mal eine Antwort zu geben und ihnen ihr ungewaschenes Maul einzuschlagen. Haben wir das heute getan? Haben wir nicht. Und das haben wir bewusst nicht getan. Es ist nämlich nicht der Anlass dieses Tages.“ Zwischen dieser Rede und dem Vorfall in Bonn vergingen gerade einmal drei Stunden.
Buttersäure, Blockaden und wummernde Bässe
Der jährliche Aufmarsch verlief für die Neonazis dieses Mal nicht nach Plan. Auf ihrem Auftaktplatz breitete sich eine unbekannte Flüssigkeit aus, die ein Team der Feuerwehr untersuchte und wobei es sich laut Remagener-Bündnis um Buttersäure handelte. Nach 500 Metern die erste Blockade in luftiger Höhe: Eine Handvoll Demonstrant*innen hatte in der Jahnstraße Bäume besetzt. Die Neonazis nahmen Abstand davon, unter ihnen hindurchzugehen, und wurden von der Polizei über die B9 umgeleitet. Auf der Joseph-Rovan-Allee blockierten rund 30 Antifaschist*innen den Aufmarsch der Neonazis, der daraufhin einen weiteren Umweg nehmen musste. Auf Höhe der Hochschule hielten die Neonazis ihre Zwischenkundgebung ab, die von wummernden Bässen teils massiv gestört wurde. Der DGB hatte rund 150 Meter entfernt eine große Bühne aufgebaut, auf der just in diesem Moment lokale Bands spielten. Insgesamt beteiligten sich etwa 900 Neonazi-Gegner an den Gegen-Aktionen in Remagen. „Wir werden uns schon darüber Gedanken machen, wie wir darauf reagieren können. Damit das im nächsten Jahr vielleicht auch ohne solche Störmanöver aussieht [sic]“, kündigte Skoda an.
Größter Neonazi-Aufmarsch in Rheinland-Pfalz bröckelt
Michael Brück, stellvertretender Bundesvorsitzender der Partei Die Rechte und Dortmunder Stadtrat, betonte zwar in seiner Rede: „Remagen ist im Rheinland ein Pflichttermin.“ Doch das kann über die nachlassende Sogkraft des Aufmarsches auf die eigene Szene nicht hinwegtäuschen. Dieses Jahr kamen mit 130 Teilnehmerinnen und Teilnehmern nur noch etwa halb so viele wie 2017. Wichtige Protagonisten fehlten: Ralph Tegethoff, der in Remagen regelmäßig als Redner auftrat; Christian Häger, der üblicherweise die Versammlung leitete, und mit ihm viele weitere ehemalige Angeklagte im Prozess gegen das rechtsextreme Aktionsbüro Mittelrhein sowie Neonazis aus dem Spektrum der NPD. Hauptredner war der wegen Holocaustleugnung verurteilte Henry Hafenmayer. Skoda ging während des sogenannten Heldengedenkens an die Grenze der Legalität: „Und ich rufe, vor allem, die Truppenteile, deren Namen ich heute nicht mehr rufen darf – ohne mich eines Strafverfahrens auszusetzen [sic]. Auch die sind heute bei uns.“ Dem Publikum reichte die Andeutung, um sich selbst zu denken, wer gemeint war: die Waffen-SS. (Jan Maximilian Gerlach)