„Syndikat 52“: Alte KAL-Strukturen im Raum Aachen, Düren und Heinsberg

DR-Kundgebung 2013 in Aachen: „Wir sind immer noch da!“ (c) Klarmann

Fast fünf Jahre nach dem Verbot der „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL) haben Neonazis den Wiederaufbau von Strukturen unter Tarnlabeln umgesetzt und werben verstärkt wieder Jugendliche an. Die Nachfolgegruppierung „Syndikat 52“ (S52) tritt zwar noch nicht so deutlich in Erscheinung wie die KAL seinerzeit. Allerdings ist derzeit im Raum Aachen, Düren und Heinsberg ein Zuwachs an neonazistischen Aktivitäten und ein aggressiveres wie offensiveres Auftreten von S52 und ergo die Teilfortführung alter KAL-Aktivitäten zu verzeichnen.

Obschon „Syndikat 52“ sich als Untergruppierung des Kreisverbandes Aachen-Heinsberg der neonazistischen Miniaturpartei „Die Rechte“ (DR) vor einem erneuten Verbot sicher wähnt, versucht man öffentlich dennoch zu bestreiten, dass S52 ein KAL-Folgeprojekt ist. Fast gebetsmühlenhaft wird mit solchen oder ähnlichen Aussagen betont, S52 sei „ein parteiliches Projekt, worin sich alle Menschen beteiligen dürfen, die sich mit patriotischen Gedanken, wie pro Familie, Freundschaft und Nation identifizieren können.“ Dabei sind Führungskader zum Teil identisch, allerdings älter geworden als zu KAL-Zeiten, wegen beruflicher Karrieren müssen die Neonazis sich teilweise in der Öffentlichkeit zudem zurückhalten mit ihrem politischen Engagement und Teile der Kader sind unterdessen zu Familienvätern geworden.

Neue, jüngere oder zugezogene Mitläufer und Neonazis tragen jedoch dazu bei, den Schein einer neuen Organisationsstruktur zu wahren. Aktivitäten indes sind oft altbekannt und reihen sich immer offener in die Traditionslinie der KAL ein, inklusive der meist (teil-)konspirativen Vorbereitung. VertreterInnen und SympathisantInnen von S52 reisten gemeinsam zu Aufmärschen (Dortmund, Remagen, Linnich, „Pegida“ in Duisburg oder Dresden sowie HoGeSa in Köln ff.), Ex-KAL-Chef Laube stellt seit Jahren bei einem Aufmarsch in Remagen einen Klein-LKW als Lautsprecherwagen. S52 hielt ähnlich wie die KAL „Heldengedenken“ und „Sonnenwendfeiern“ ab und es fanden neonazistische Weihnachtsfeiern statt. Seit geraumer Zeit tritt S52 durch illegale Sprüh- und Transparentaktionen in Erscheinung, zudem wurden eigene Aufkleber unter dem Label der Gruppe massenhaft in Aachen, Düren, Jülich, Wassenberg, Erkelenz und Hückelhoven verklebt – so wie in KAL-Zeiten echte oder vermeintliche Reviere als „NS befreite Zone“ oder „Nazi Kiez“ markiert wurden.

Mitte Januar nahmen (Ex-)Mitglieder von KAL und S52 – ähnlich wie schon 2015? – an einem Leistungsmarsch von Neonazis im Bereich des Drachenfels‘ teil. Mit anderen Neonazis legte man dabei, teils in militärischer Kleidung und Flecktarn, rund 30 Kilometer Wegstrecke zurück. Es dürfte sich dabei um den zeitweise jährlich abgehaltenen „Siebengebirgsmarsch“ gehandelt haben, den die Gruppierung „Sturm Rhein-Sieg“ beziehungsweise „Sturm 8/12“ unter anderem ausgehend von Königswinter in Richtung Bad Honnef organisiert(e). An solchen Märschen nahmen auch in früheren Jahren KAL-Vertreter teil, etwa am 24. Januar 2009 vier bis fünf Personen, darunter laut einer Szenequelle der damalige KAL-Chef Rene Laube höchst selbst. Es gibt Hinweise darauf, dass im Januar 2017 der Sänger und ein weiterer Musiker von der rechtsextremen Bremer Hooliganband „Kategorie C“ (KC) an diesem mehrstündigen Marsch im Siebengebirge teilgenommen haben.

KC, rechtsoffene Hooligans und Neonazis aus dem Großraum Aachen kennen sich. Ein für den „Raum Aachen“ angekündigtes, konspirativ vorbereitetes Konzert von KC gemeinsam mit dem neonazistischen HipHopper „Makss Damage“ fand am 20. Februar 2016 etwa im belgischen Burnenville nahe Malmedy statt. Während KC das Konzert ohne Angaben bewarben, wer der örtliche Veranstalter war, waren szenenintern Flyer verbreitet worden, auf denen als Organisator für das Konzert „Syndikat 52“ genannt wurde. „Makss Damage“ nahm Ende 2014 in Aachen ein Musikvideo auf, in dem ehemalige KAL-Mitglieder als Statisten mitwirken. S52 präsentierte exklusiv Fotos von den Dreharbeiten und warb damit, „Aktivisten der Region“ seien dabei gewesen. „Makss Damage“ wird zudem durch Gastmusiker und -sänger aus Aachen unterstützt, etwa von „Teiwaz“, „Nordic Walker“ und „Hackepeter“ (Schreibweise variiert). Beide letztgenannten sind Ex-Mitglieder der KAL, erstgenannter hatte noch zu KAL-Zeiten die Gruppe musikalisch hofiert.

Eine von S52 konspirativ vorbereitete „Party für Deutsche!“, die für den „Raum Aachen“ angekündigt worden war, fand am 5. September 2015 in Heinsberg statt. Aufgetreten ist bei der Veranstaltung „Makss Damage“. Mitorganisiert wurde das Treffen von Personen aus dem Umfeld der verbotenen „Kameradschaft Aachener Land“, Laube selbst war vor Ort. Die Neonazis nutzten eine ehemalige Gaststätte mit Saal, die als Partyraum vermarktet wird. An selber Stelle fand zudem am 4. Juni 2016 eine „Record Release Party“ von „Kategorie C“ statt. Und auch wenn S52 eine Art Freizeitgruppe sein soll, die formal der Partei DR untergeordnet ist, fällt auf: je offensiver und präsenter S52 auftritt, umso weniger Aktivitäten zeigen die regionalen DR-Verbände noch; unterdessen drängt sich gar der Verdacht auf, die Parteistrukturen seien inaktiv. Denn S52 scheint im neonazistischen, jugend(sub)kulturellen Bereich noch die einzige Struktur zu sein, die auch öffentlich im alten KAL-Beritt in Erscheinung tritt.

Trotz Verbot sind sie nicht tot…

Schon zwei Tage nach dem KAL-Verbot im August 2012 hatte der seinerzeit schon seines Amtes enthobene „Kameradschaftsführer“ René Laube bei einer Kundgebung in Düren in Richtung der Verbotsbehörde gestänkert: „Trotz Verbot sind wir nicht tot!“ Eine Losung, die Laube wiederholt nutzte, etwa im September 2013 in Aachen bei einer DR-Wahlkampfkundgebung, als die Neonazis auf einem Transparent ebenso bekundeten, der „Aachener Widerstand“ sei „immer noch da.“ Besagtes Transparent nutzten ehemalige Mitglieder der KAL auch bei anderen Aufmärschen. Dass besonders gefestigte Kader nach dem Verbot schon bald auch organisatorisch wieder aktiv waren, zeigte auch das Verbreiten eines Flyers, der zu einer Geburtstagsfeier für eine Seniorin, die bis zum Verbot die Kasse der KAL geführt haben soll, Anfang Dezember 2012 einlud.

Die Rentnerin aus Eschweiler wurde auf dem Flyer, der in seiner Optik und in Textpassagen früheren KAL-Flyern ähnelte, als „Mutter der Kompanie“ bezeichnet. Als Ort für die konspirativ vorbereitete Feier wurde vier Monate nach dem KAL-Verbot wie in den Jahren zuvor schon auf KAL-Flyern das „Aachener Land“ angegeben. Als die Rentnerin Anfang 2016 verstarb, lobte „Syndikat 52“ in einem Nachruf die „treue Kameradin“ und „Mutter der Kompanie“ sowie deren 18 Jahre langes Engagement in der „Bewegung“. Die „Aktivisten [aus] der Region Aachen“ seien ihre „Familie“ gewesen, hieß es zudem.

Am 2. Februar 2013 fand die Gründungsfeier der Kreisverbände Aachen und Heinsberg der Neonazi-Partei „Die Rechte“ (DR) in Nörvenich-Frauwüllesheim statt, unter den Teilnehmern befanden sich zahlreiche ehemalige KAL-Mitglieder und -Kader. Der Landesverfassungsschutz wertet die Splitterpartei DR denn auch als Auffangbecken verbotener, militanter „Kameradschaften“, geschützt nun jedoch durch das Parteienprivileg. Die Sicherheitsbehörden betonten zudem, dass das Gründungsdatum dieser beiden DR-Verbände mit dem offiziellen Gründungsdatum der KAL am 1. Februar 2002 korrespondiert und eine Provokation darstellen soll, um aufzuzeigen, dass die KAL eigentlich weiter existiert oder wieder aktiv geworden ist. Fanden etwa KAL-Treffen früher zeitweise bei Laube in Vettweiß statt, sollen später auch DR-Stammtische für die Mitglieder aus dem Raum Düren manchmal bei dem ehemaligen „Kameradschaftsführer“ abgehalten worden sein. 2013 meldete die DR in Stolberg eine Neuauflage der fremdenfeindlichen Hetzmärsche nahezu in gleicher Form an, wie es Neonazis unter Mitwirkung der KAL zuvor schon getan hatten.

Die örtlichen DR-Verbände hielten zu Beginn schon verschiedene Treffen und Feiern ab, die auch zuvor schon zum Repertoire der KAL gehörten. So fand ein „Balladenabend“ unter dem Label der DR in Kerpen-Manheim statt, auf dem eine der Kultfiguren der deutschen Rechtsrockszene („Lunikoff“) auftrat. Maßgeblich alte KAL-Kader waren an der Organisation des Abends beteiligt, ein Neonazi-Liedermacher aus Aachen trat im Vorprogramm auf und soll dabei auch eine Art Hymne der KAL gespielt haben. Der wirkungsvollste Reorganisations-Coup aus Kreisen alter KAL-Leute und jetziger DR-Kader hin zu einer neuen „Kameradschaft“-ähnlichen Gruppe erfolgte dann aber erst Mitte 2014.

Ende 2016 in Aachen: S52-Aufkleber im linksalternativen Frankenberger Viertel (c) Klarmann

Die Neonazis verkündeten auf einer kurzzeitig abrufbaren Homepage und mittels einer Facebook-Seite, dass eine der örtlichen DR untergeordnete Freizeit-, Schulungs- und Freundesgruppe namens „Syndikat52“ gegründet worden sei – namentlich eine Kombination aus den Anfangsziffern der Postleitzahl für den Raum Aachen und einer Art von Verbrechersyndikat, immerhin waren KAL-Mitglieder in den Jahren vor dem Verbot wegen zahlreicher Straftaten aufgefallen. S52 verbreitet sogar, man wolle eine Immobilie erwerben oder mieten, um eine Art nationalistischen Frei(zeit)raum für eigene Aktivitäten aufzubauen. Allem Anschein nach wollte man eine regionale Gruppe aufbauen, die sich an der neofaschistischen Bewegung „CasaPound“ (Italien) orientiert, wobei nach deren Vorbild neben der klassischen Politik auch eine jugendaffine Eventkultur, Aktionismus und rechte Musik einen breiten Raum einnehmen sollen.

Von Beginn an deckten sich neben den DR-Aktivitäten besonders jene von „Syndikat52“ mit alten KAL-Angeboten: Computerschulung, gemeinsames Grillen, sportive Aktivitäten wie die Teilnahme an einem „Mud Masters“-Lauf als Gruppe, der Faible für das neonazistische Kampfsport-Event „Kampf der Nibelungen“ oder etwa größere Rafting-Touren der Neonazis im Kreis Heinsberg. Mitglieder und Sympathisanten, darunter auch Ex-KAL-Kader, traten sporadisch bei Aktionen und Aufmärschen in „Syndikat 52“-Shirts auf. Aus jenem Teilnehmerkreis rekrutierten sich im April auch Besucher einer „Führergeburtstagsfeier 2014“ bei der holländischen Sektion des in Deutschland verbotenen Netzwerkes „Blood & Honour“, bei der Adolf Hitler gehuldigt wurde. Der Saal war mit Hakenkreuzfähnchen geschmückt, als Redner trat laut Veranstalterbericht unter anderem Laube auf, im Publikum saß ein Neonazi mit dem T-Shirt der KAL – in Deutschland wäre das öffentliche Tragen des Shirts ein strafrechtlich relevanter Verstoß gegen das Verbot. Aufgetreten sein soll zudem ein Liedermacher aus dem früheren KAL-Umfeld. Zum Jahrestag des KAL-Verbotes publizierte S52 im Jahr 2016 das Bild einer roten Flagge mit einem weißen Kreis, in dessen Mitte kein Hakenkreuz, sondern ein Herz prangte. Dazu hieß es, dass „auch heute noch […] der Widerstand [lebt]. Eine so reine und klare Weltanschauung lässt sich nicht verbieten.“ Dazu via Hashtag die übliche Parole: „TrotzVerbotSindWirNichtTot“.

Radikalität und Militanz als Event

Landesinnenminister Ralf Jäger und der Verfassungsschutz NRW betrachten die DR-Kreisverbände Aachen und Heinsberg als „Auffangstruktur“ für die verbotene KAL unter dem Schutz des Parteienprivilegs. Im Landesverfassungsschutzbericht für das Jahr 2015 heißt es zudem schlicht: „Unter dem Namen Syndikat 52 veröffentlichen Mitglieder der Partei Die Rechte [Aachen/Heinsberg; mik] ein weiteres Facebook-Profil, das sich zum einen um jugendkulturelle Affinität bemüht, zum anderen mit militanter Aufmachung kokettiert.“ Unterdessen ist jedoch klar, dass S52 mehr ist als nur ein virtueller Auftritt, immerhin sind einige der Kader seit vielen Jahren in der Neonazi-Szene aktiv, denken strategisch und sind auch überregional seit langem sehr gut vernetzt.

Ende 2016 auf der Tür des AZ in Aachen: S52-Aufkleber und Hakenkreuze (c) Klarmann

Wie zuvor schon durch die „Kameradschaft Aachener Land“ werden über S52 junge Interessierte angesprochen und angeworben sowie an die neonazistische Ideologie und Szene herangeführt. Mittels Aktionen, Konzertorganisation oder -besuchen sowie Fahrten zu Aufmärschen will man eine ähnliche „Erlebniswelt Rechtsextremismus“ herstellen wie zu KAL-Zeiten. Überdies wildert man erneut auch in der Problemfanszene von Alemannia Aachen, um aktionsorientierte Hooligans und Jugendliche anzuwerben. Als etwa 2015 eine Reisegruppe aus dem Raum Aachen zum „HoGeSa 2.0.“-Aufmarsch in Köln fuhr, befanden sich Hooligans und Neonazis aus dem S52-Spektrum ebenso im Reisetross, wie ältere Vertreter aus dem „Kameradschafts“-Spektrum sowie rechtsoffene Nachwuchshools und Ultra-Kiddies, von denen sich heute Jugendliche und Heranwachsende im S52-Umfeld tummeln.

Als am 9. November 2016 rund 80 Menschen am Synagogenplatz in Aachen anlässlich des Jahrestages der Pogromnacht eine Mahnwache abhielten, musste die Polizei einem jungen Neonazi und Hooligan aus dem S52-Umfeld einen Platzverweis erteilen. Als Besucher einer naheliegenden Kneipe, in der auch Neonazis und Hooligans verkehren, hatte er besagte Gaststätte verlassen, sich unter die Teilnehmer der Mahnwache gemischt, woraufhin es zu Wortgefechten und Rangeleien mit jungen Antifaschisten gekommen war. Mindestens zwei Neonazis aus dem S52-Spektrum standen während der Gedenkfeier mit anderen Gästen vor der Kneipe, lachten und feixten wiederholt lautstark. Offenkundig fühlt man sich wieder sehr sicher. Fast wie zu KAL-Zeiten. (Michael Klarmann)

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