Die extreme Rechte im Regierungsbezirk Köln: Jahresrückblick 2015

Die extreme Rechte im Regierungsbezirk Köln im Jahr 2015

Das Jahr 2015 brachte große Veränderung innerhalb der extrem rechten Szene bundesweit wie auch in NRW und im Regierungsbezirk Köln mit sich. Mit den „Hooligans gegen Salafisten“ ist bereits 2014 ein neues Spektrum mit einer Mischung aus (Pseudo-) Hooligans, rechten Fußballfans und organisierten Neonazis entstanden. Auch das ebenfalls Ende 2014 entstandene Label PEGIDA wurde 2015 in NRW genutzt – in Düsseldorf und Duisburg, aber auch in Köln. Insbesondere diese beiden Entwicklungen haben das Spektrum, das bei extrem rechten Demonstrationen und Kundgebungen dabei ist, deutlich verändert.
Inhaltlich war die Agitation und Hetze gegen Asyl und Geflüchtete der absolute Schwerpunkt extrem rechter Mobilisierung. Meist war dies eng verknüpft mit dem Feindbild Islam. Dies war sowohl bei PEGIDA als auch bei pro NRW und den neonazistischen Gruppierungen der Fall.

KÖGIDA

Nach einer ersten PEGIDA-Veranstaltung im Dezember 2014 in Düsseldorf und zwei solcher Versammlungen in Bonn wurde für Anfang Januar „Köln gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (KÖGIDA) angekündigt. Dem Aufruf folgten nur etwa 300 Personen, damit blieb die Teilnehmendenzahl deutlich hinter den Erwartungen der Organisator_innen zurück. Der im Anschluss an die Kundgebung geplante „Spaziergang“ konnte aufgrund des großen Gegenprotests nicht stattfinden. Unter anderem an der Frage, ob man den „Spaziergang“ nun durchzusetzen versuchen solle, eskalierte im Nachgang der wohl bereits schwelende Konflikt im sogenannten Orga-Team. Melanie Dittmer, früher Aktivistin verschiedener Neonazi-Organisationen und zu diesem Zeitpunkt treibende Kraft bei der „Identitären Bewegung“ bzw. der „Identitären Aktion Rheinland“ schied aus dem Team aus, das Amt der Pressesprecherin von PEGIDA NRW wurde ihr entzogen. Zuvor hatte bereits der Düsseldorfer AfDler Alexander Heumann das Orga-Team verlassen, nach eigener Aussage nachdem Dittmer in einem Interview mit Spiegel TV sagte, für sie sei es unerheblich, ob es den Holocaust gegeben habe oder nicht.

Konsequenz des Rauswurfs Dittmers war die Spaltung in zwei Gruppen, die für sich in NRW das Label PEGIDA in Anspruch nahmen. Die verbliebene Gruppe organisiert seither in Duisburg mit wenigen Unterbrechungen wöchentlich Kundgebungen mit anschließenden kurzen Demozügen. Dittmer und ihre Getreuen – mit im Orga-Team nun auch Aktivisten von pro NRW – wählten Düsseldorf für die „Montagsspaziergänge“, kündigten jedoch auch an, mittwochs regelmäßig in Köln demonstrieren zu wollen. Zu den beiden ersten Terminen in Köln erschienen etwa 100 Teilnehmer_innen, hauptsächlich von pro NRW und aus dem HoGeSa-Spektrum. Der dritte Termin wurde aufgrund einer Erkrankung des Orga-Teams abgesagt, kurz vor dem vierten hieß es dann, man wolle sich lieber ganz auf Düsseldorf konzentrieren und gebe die Köln-Pläne auf.

Versuchter Angriff auf Gedenkkundgebung am Jahrestag des NSU-Anschlags in der Probsteigasse

Im Januar 2015 jährte sich der NSU-Anschlag auf den Lebensmittelladen in der Kölner Probsteigasse zum 14. Mal. Am 18. Januar fand dort eine Gedenkkundgebung statt. Gegen Ende der Kundgebung wurde bekannt, dass eine Gruppe aus dem HoGeSa-Spektrum auf dem Weg zur Kundgebung gewesen war und nur wenige hundert Meter vor der Probsteigasse von der Polizei gestoppt wurde. Nach Berichten eines Augenzeugen war eine Gruppe von etwa 70 Personen Richtung Probsteigasse unterwegs, etwa 30 wurden von der Polizei aufgehalten und eingekesselt, die übrigen konnten entkommen. Bei den Festgesetzten stellten die Beamt_innen Pfefferspray, Quarzsandhandschuhe, einen Elektroschocker und verschiedene Protektoren sicher. Die Beteiligten dürften zum Großteil aus Essen nach Köln gekommen sein. Dort war für den Tag eine HoGeSa-Veranstaltung angemeldet und beworben worden. Die Versammlung wurde jedoch verboten, der Anmelder verzichtete auf eine Klage. Trotzdem fuhren mindestens 100 Personen aus dem HoGeSa-Spektrum nach Essen, wo sie Platzverweise erhielten. Ein Teil von ihnen fuhr dann gegen Abend nach Köln. Unter den festgesetzten befanden sich auch zwei Männer, die an dem Messerangriff im April auf einen Besucher des AZ Wuppertal beteiligt waren und nun deshalb vor Gericht stehen.
In den Wochen nach diesem Vorfall gab es mehrmals Meldungen über rassistische Pöbeleien und auch Angriffe in Köln.

Spaltung bei pro NRW/ pro Köln

2014 standen vier Funktionär_innen von pro Köln vor Gericht. Ihnen wurde vorgeworfen, als Ratsmitglieder nicht stattgefundene Sitzungen und Treffen abgerechnet zu haben. Drei von ihnen wurden verurteilt. Dies zog schwere Auseinandersetzungen innerhalb pro NRWs nach sich. Im Mai schrieb der Parteivorsitzende Markus Beisicht dann auf der Webseite, es gebe „gravierende inhaltliche Differenzen“ zum Umgang der Verantwortlichen mit dem „Kölner Sitzungsgelderskandal“. Pro Köln-Funktionäre wurden in der Folge ihrer Ämter bei pro NRW enthoben bzw. traten bei pro NRW aus. Im Gegenzug wurden Mitglieder des „gegnerischen Lagers“ bei pro Köln rausgeworfen. Dies zog eine Austrittswelle bei pro NRW nach sich. Die Ausgetretenen näherten sich nun pro Deutschland an, was im Oktober dann auch in der Gründung eines pro Deutschland-Landesverbands NRW mündete. Beim Gründungsparteitag in Leverkusen wurde dann Markus Wiener zum Landesvorsitzenden gewählt, der übrige Vorstand besteht ebenfalls aus ehemaligen pro NRW/ pro Köln-Mitgliedern.

Damit ist die personelle Basis von pro NRW weiter geschrumpft. Die Rettung scheint man dort nun in der Einbindung des HoGeSa-Spektrums zu sehen. Dominik Roeseler hatte bereits von Anfang an eine führende Rolle bei HoGeSa eingenommen. Einzelne Demonstrationen von pro NRW wurden von einer größeren HoGeSa-Gruppe besucht bzw. sogar dominiert (wie die Kundgebung im November in Köln). Auch sonst scheint pro NRW die zumindest verbal gesetzten Grenzen nach rechtsaußen aufgegeben zu haben. Beim außerordentlichen Parteitag am 18. Dezember ebenfalls in Leverkusen wurden zwei ehemalige NPD-Funktionäre in den Vorstand gewählt. Als Gastrednerinnen waren Sigrid Schüßler, ebenfalls ehemals NPD, und Esther Seitz, Initiatorin des „Widerstand Ost West“ eingeladen.

„Hooligans gegen Salafisten“

Im Juni kündigte Dominik Roeseler die Neuauflage von HoGeSa in Köln an. Am 25. Oktober sollte die Versammlung genau ein Jahr nach der äußerst gewalttätig verlaufenen Demonstration 2014 unter dem Motto „Köln 2.0 – friedlich und gewaltfrei gegen islamischen Extremismus“ stattfinden. Das „gesamte alte Orga-Team“ organisiere die Veranstaltung erklärte Roeseler. Kurze Zeit später distanzierten sich jedoch die im Nachgang zu HoGeSa 2014 entstandenen Gruppierungen von der Veranstaltung. Roeseler hielt an der Anmeldung fest, die übrigen Gruppen meldeten für den 24. eine eigene Versammlung an. Diese wurde jedoch nach wenigen Wochen wieder abgesagt.

Trotzdem kam die Mobilisierung für den 25. nicht in Schwung. Ende September verbot die Polizei Köln dann die Versammlung mit Verweis auf die gewaltsamen Vorfälle im vergangenen Jahr. Roeseler reichte Klage gegen das Verbot ein, das Verwaltungsgericht bestätigte das Verbot des Aufzugs, ließ aber eine Standkundgebung zu. Nach einem bestätigenden Urteil des Oberverwaltungsgerichts wurde die Versammlung dann per Auflage nach Deutz auf den Barmer Platz verlegt.

Der Ort, das Verbot einer Demonstration sowie des Alkoholkonsums machten die Veranstaltung wohl deutlich unattraktiv für die anvisierte Zielgruppe. So kamen gerade mal 900 Teilnehmer_innen zur Kundgebung. Der Beginn verzögerte sich dann deutlich, weil es lange nicht gelang, 50 nicht vorbestrafte und nicht alkoholisierte Ordner_innen zu finden. Entsprechend schlecht war die Stimmung. Daran konnte auch der Auftritt von Kategorie C nichts ändern. Ein großer Teil der Teilnehmer_innen verließ die Kundgebung bereits lange vor deren Ende.

Attentat auf Henriette Reker

Am 17. Oktober – ein Tag vor der OB-Wahl in Köln – wurde die parteilose Kandidatin Henriette Reker während eines Wahlkampftermins in Köln-Braunsfeld mit einem Messer angegriffen und lebensgefährlich verletzt. Erste Meldungen sprachen von einem „verwirrten Mann“ als Täter, schnell wurde jedoch bekannt, dass der Täter das Attentat als Reaktion auf Rekers Flüchtlingspolitik – sie war bislang Sozialdezernentin – verübt hatte. Er ließ sich vor Ort widerstandslos festnehmen.

Antifaschistische Recherchen deckten im Verlauf des Tages auf, dass es sich bei Frank S. um einen ehemaligen Aktivisten aus dem Umfeld der „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ (FAP) aus Bonn handelt. Er war Teilnehmer der Rudolf-Heß-Gedenkmärsche 1993 in Fulda und 1994 in Luxemburg und findet sich auch auf einer Liste der „Nationalistischen Front“.

Auch wenn er – soweit bekannt – zwischenzeitlich nicht mehr politisch in Erscheinung getreten ist, so war seine Tat doch genau und strategisch geplant. Der Zeitpunkt versprach die größtmögliche Aufmerksamkeit, seine persönlichen Unterlagen wie auch die Festplatte seines Computers vernichtete er vor dem Attentat.

Angriffe auf Asylsuchende und Unterkünfte

Auch im Regierungsbezirk Köln sind im Jahr 2015 zahlreiche Straftaten zu verzeichnen, die sich gegen Geflüchtete richteten.

Im Januar sorgte ein Angriff auf drei Asylsuchende in Wassenberg (Kreis Heinsberg) für Aufsehen. Die sieben Täter attackierten die Geflüchteten, waren zum Teil mit Schlagstöcken bewaffnet und riefen rassistische Parolen. Einer der Betroffenen musste stationär ins Krankenhaus. Im August wurde gegen sechs Personen Anklage erhoben. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass es bereits vorher Angriffe auf Asylsuchende gegeben hatte, an denen zwei der Angeklagten beteiligt waren.

Im September wurde eine Flüchtlingsunterkunft in Euskirchen mit Paintball-Waffen beschossen. Die rote Farbe beschädigte lediglich die Fassade. Nur wenige Tage später wurde im oberbergischen Wiehl ein Brandanschlag auf einen ausrangierten Eisenbahnwaggon verübt. Darauf wurden Anti-Asyl-Parolen gesprüht. Die Stadt verhandelte zu dieser Zeit mit der Bahn über den Umbau von Waggons zur Unterbringung von Geflüchteten.

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