„Hooligans gegen Salafisten“ in Köln

IMG_5691a IMG_5691Unter dem Label der Gruppe „Hooligans gegen Salafisten“, die vorgeben nur „gegen Salafismus“ zu sein, fand am 26.10 die größte extrem rechte Demonstration seit Jahren statt.

Aus der Demonstration heraus wurden nicht nur JournalistInnen angegriffen und verletzt, sondern auch wahllos PassantInnen attackiert. Zudem wurden Parolen wie „Ausländer raus“, „Frei, Sozial und National“, „Deutschland, unser Land“ sowie „Lügenpresse, halt die Fresse“ skandiert und vielfach der Hitler-Gruß gezeigt.

Auch wenn sich die Veranstalter im Vorfeld darum bemühten, der Veranstaltung ein gemäßigtes Ansehen zu verpassen und sich nach außen von jeglicher neonazistischer Ausrichtung und Beteiligung zu distanzieren, zeigte sich sehr schnell, dass es sich dabei weniger um ernsthafte Absichtserklärungen als vielmehr um einen strategischen Schachzug handelte, um auch vermeintlich unpolitische Fussballfans für die eigenen Ziele zu gewinnen. So erstaunt es nicht, dass sich unter den Anwesenden zahlreiche AnhängerInnen der Neonazi-Szene befanden. Etliche Teilnehmende trugen Kleidung und Symbole, die eindeutig der rechtsextremen Szene zuzuordnen ist.

Untrennbar: rechtes Hooligan-Milieu und Neonazi-Szene

IMG_5601Die Gewalttätigkeit der Veranstaltung hat auf erschreckende Weise deutlich gemacht, dass eine strikte Trennung zwischen HoGeSa-Hooliganmilieu und Neonaziszene nicht nur nicht möglich ist, sondern zudem die Gefahr der Bagatellisierung in sich trägt. Ein personelles Beispiel für die enge Vernetzung ist Siegfried Borchardt. Der Gründer und Anführer der extrem rechten Hooligangruppe „Borussenfront“ wurde im Mai 2014 als Mitglied der rechtsextremen Partei „Die Rechte“ in den Dortmunder Stadtrat gewählt. Borchardt, genannt „SS-Siggi“, war selbstredend auch auf der Demonstration in Köln anwesend. Generell zeichnete sich besonders die Partei „Die Rechte“ durch ihre aktive Mobilisierung und Unterstützung aus. Die Partei, die in der militanten Neonazi-Szene eine wichtige organisatorische Führungsrolle einnimmt, konnte so viele Neonazis – besonders aus Nordrhein-Westfalen- zum Mitmachen bewegen.

Neben AnhängerInnen der „Rechten“ und extrem rechten Hooligans beteiligten sich auch AktivistInnen der NPD und „Freien Kameradschaften“. Die Kameradschaft „Freies Netz Hessen“ war mit eigenem Transparent vertreten, ebenso wie die „Identitäre Bewegung“. Auch aus der Stadt Köln und dem Regierungsbezirk waren etliche bekannte Neonazis vertreten. „Die Rechte Rhein-Erft“ hatte im Vorfeld Übernachtungsmöglichkeiten angeboten.

„Special Guest“

IMG_5175Die Organisatoren hatten zudem einen „Special Guest“ angekündigt. Dass es sich dabei um einen Auftritt extrem rechten Hooligan-Band „Kategorie C“ handeln würde, war von vielen BeobachterInnen bereits vermutet worden. Die ursprünglich aus Bremen stammende Band mit nun hessischer Verstärkung hatte im Vorfeld zur Mobilisierung den gleichnamigen Song „Hooligans gegen Salafisten“ veröffentlicht. In einigen Bundesländern werden Auftritte der Band regelmäßig durch die Behörden verboten.

Doch schon im Vorfeld war ersichtlich, dass dies keine Versammlung „unpolitischer“ Hooligans werden würde. Die massive neonazistische Mobilisierung und die rassistischen und nationalistischen Beiträge auf der Facebook-Seite der Veranstaltung sprachen eine klare Sprache.

Pro NRW

Angemeldet wurde die Kundgebung am Bahnhof und anschließende Demonstration durch das Kunibertsviertel ursprünglich vom stellvertretenden Pro-NRW Vorsitzenden Dominik Roeseler aus Mönchengladbach. Nach Kritik aus der Parteispitze zog dieser sich zwar offiziell von der Versammlungsleitung zurück, spielte am gestrigen Tag aber dennoch eine wichtige Rolle. Mit einem Megafon dirigierte er die Teilnehmenden und heizte per Megafon ein.

Der Pro NRW-Vorsitzende Markus Beisicht veröffentlichte auf der Website am Montag direkt ein Statement, in dem er den Sonntag als „Trauriger Tag für die seriöse Islamkritik!“ bezeichnet. Wie ernst die Distanzierung gemeint ist und ob die „Differenzen“ Konsequenzen für Roeseler haben werden, wird sich zeigen.

Polizei

IMG_5805Angesichts der hohen Zahl an Demonstrationsteilnehmenden und deren Gewaltbereitschaft stellt sich die Frage, ob die Polizei, die mit etwas mehr als 1000 Einsatzkräften vor Ort war, die Situation richtig eingeschätzt hatte. Ob das polizeiliche Konzept tatsächlich funktioniert hat, wie Innenminister Ralf Jäger im ZDF Morgenmagazin erklärte, ist zweifelhaft. Kölns Oberbürgermeister Rothers sagte dem Kölner Stadt-Anzeiger, er habe „großes Interesse zu erfahren, nach welchen Kriterien der Polizeipräsident die Entscheidung getroffen hat, diese Hooligan-Demonstration zuzulassen und nicht zu verbieten“.Die Polizei schien streckenweise große Schwierigkeiten zu haben, die Situation zu kontrollieren. Von den angegriffenen JournalistInnen berichteten einige, dass sie sich von anwesenden PolizistInnen nicht ausreichend geschützt gefühlt hatten. Ähnlich erging es den Menschen, die in den anliegenden Geschäften und Gaststätten arbeiteten. Letztlich soll es laut Polizei 17 „freiheitsentziehende Maßnahmen“ gegeben haben, ein offener Haftbefehl konnte durch die Bundespolizei vollstreckt werden. Im Vergleich zu den unzähligen begangenen Straftaten – Verstoß gegen das Vermummungsgesetz, Flaschenwürfe, Körperverletzungen etc. – eine verschwindend geringe Zahl. Nun wurde eine Ermittlungsgruppe gegründet, die wegen schweren Landfriedensbruchs ermittelt. Die Einschätzung des Einsatzleiters Klaus Rüschenschmidt: „Wir waren ausreichend und angemessen auf diesen Einsatz vorbereitet.“ Köln war die bislang größte HoGeSa-Veranstaltung, die nächsten in Hamburg und Berlin sind bereits geplant; weitere werden mit Sicherheit folgen. Die Polizeitaktik dürfte aufgrund der Ereignisse in Köln bei den folgenden Anmeldungen eine deutlich andere sein. Dennoch gehen Neonazis und Hooligans mit gestärktem Selbstbewusstsein aus der Veranstaltung am Sonntag. Zumindest zeitweise gehörte ihnen die Straße. Die damit einhergehende Euphorie wird zumindest kurzfristig zu einer Stärkung der Szene führen. Wie es mit HoGeSa und den kommenden Aktivitäten weitergeht, bleibt abzuwarten, stellt jedoch eine große Herausforderung für Zivilgesellschaft und Sicherheitsbehörden dar.

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