Moschee – Infoladen – Moschee – Autonomes Zentrum. Vier Kundgebungsorte steuerte ein Dutzend „pro Deutschland“-AnhängerInnen am vergangenen Samstag in Köln an. Ihre Ziele mittels maximaler Provokation „kontroverse Debatten“ anzustoßen oder Krawall zu provozieren, gingen auch in der Domstadt nicht auf. Die einzige Öfffentlichkeit, die sie bei ihrer Wahlkampftour erreichte, bestand aus zahlreichen PolizistInnen und GegedemonstrantInnen. Die Gegenproteste verliefen friedlich.
Das Ziel der Kundgebungstour bestehe darin, das „Scheitern der etablierten Zuwanderungspolitik wie auch Defizite der Innenminister im Umgang mit militanten Linksextremisten auf die Tagesordnung der politischen Diskussion [zu] setzt[en]“, gibt „pro Deutschland“ an. Die Partei wolle Krawall provozieren und so Aufmerksamkeit bekommen, meint dagegen der Journalist Andreas Speit in der taz. Weitere Kundgebungen in rund 50 Städten sind bis zum Tag vor der Bundestagwahl geplant. Ab 0,5% Stimmanteil würde die Partei staatliche Gelder aus der Parteienfinanzierung erhalten.
Erste Kundgebung in Zollstock
Nachdem „pro Deutschland“ am Morgen bereits vor dem Kulturausbesserungswerk in Leverkusen demonstrierte, fanden sich am Mittag auch ein Dutzend AnhängerInnen in Köln ein. Lars Seidensticker, Bundesgenerealsekretär der Partei eröffnet um 12.15 Uhr die erste Kundgebung im Kölner Höninger Weg. „Moslembrüder! Hier spricht die Bürgerbewegung pro Deutschland. Hier spricht Lars Seidensticker. Das Spiel ist aus! Verlassen Sie ihre Häuser, verlassen Sie die Moschee! Und verlassen Sie endlich dieses Land!“. Die Abubakr Moschee, eigentlich Adressatin der Kundgebung, wirkt verlassen. Ebenso verlassen wie die Straße, auf der die rechten ParteianhängerInnen ihre Minikundgebung aufgebaut haben. Nur etwa 15 GegendemonstrantInnen stehen auf der gegenüber liegenden Straßenseite. PassantInnen sind kaum zu sehen, vorbeifahrende Autos hupen den Rechten entgegen. Gehüllt in Tschador und Niqab (schwarzes Ganzkörpergewand und Gesichtsschleier) tritt Stephanie T. für die „Bürgerbewegung“ ans Mikrofon. So sähen bald alle Frauen in Deutschland aus, wenn die „Islamisierung“ nicht gestoppt werde. Tatsächlich sieht man am Samstag einzig die pro-Kandidatin solcherart bekleidet. „Die Salafisten sind nicht islamisch und sind auch Idioten. Auch in unseren Augen!“, mischt sich dann doch noch ein Passant ein. Nach einer dreiviertel Stunde verlassen die Rechten die Südstadt wieder.
Zwei Stationen in Ehrenfeld
Als nächstes macht die Kundgebungstour von „pro Deutschland“ am Hans-Böckler-Platz in Ehrenfeld Halt, um gegen den linken Buchladen „Infoladen“ (auch LC 36 genannt) zu demonstrieren. Doch statt des erhofften Krawalls, verläuft die Gegenkundgebung mit den etwa 200 FreundInnen des Infoladens auch hier friedlich. Eine Musikanlage beschallt die Versammlung der Rechten und NachbarInnen unterstützen den Protest des Infoladens. „Das LC 37 liebt das LC 36“, steht auf einem Transparent am Nachbarhaus. Die Bediensteten des BioGourmetClubs verteilen selbstgebackene Kekse an PolizistInnen und GegendemonstrantInnen. Antifaschistische Plakate hängen in den Fenstern des BioGourmetClubs und auch das DGB-Haus ist mit Plakaten und Transparenten geschmückt. Zeitweise schallt auch laute Musik aus dem nahen Gewerkschaftshaus – bis die Polizei dies unterbindet. Die Reden von „pro Deutschland“ erreichen dennoch keine PassantInnen und der Aufruf Seidenstickers seine Partei zu wählen und so die „Wahlkabine zur Ausnüchterungszelle für die etablierte Parteien“ zu machen, wirkt gänzlich deplatziert. Die Partei ist bemüht, sich von anderen Klein- und Kleinstparteien abzugrenzen. Von den „Alten Naiven für Deutschland“ spricht Moderator Oliver Wesemann und meinte damit die neugegründete „Alternative für Deutschland“ (AfD). Die hätten das Programm von pro Deutschland „einmal komplett übernommen“, sich aber dann überlegt, dass das Programm beim Wähler nicht ankomme. Also habe sich die AfD dazu entschlossen, „einmal komplett zurück zu rudern“. „Was man da jetzt eigentlich wählt, weiß man gar nicht mehr“, findet Wesemann. Und die „Primatenpartei in orange“, wie er die „Piratenpartei“ nennt, habe sich weg von einer Partei mit „eigentlich richtig guten Werten“ zu einer „relativ linksfaschistoiden Truppe“ entwickelt. Wesemann gibt zugleich an, er glaube dort immer noch Mitglied zu sein.
Gegen 16 Uhr erreicht die rechte Partei mit der Zentralmoschee ihre nächste Station in Ehrenfeld. Neben Sebastian Nobile (Kandidat im Saarland), Stephan Böhlke (Kandidat in Mecklenburg-Vorpommern), Nico Ernst (Ratsmitglied in Bonn) und Stephanie T. (Kandidatin in Sachsen) ergreift erneut auch Lars Seidensticker das Wort. Den Kölner Grünen und schwulen Bundestagsabgeordneten Volker Beck bezeichnet er als „Oberhinterlader“. Beck erstattet daraufhin Anzeige. Neben Beck demonstrieren etwa 250 Menschen lautstark gegen die Kundgebung. Darunter sind das Ehrenfelder Bündnis gegen Rechtsextremismus, die ver.di Jugend, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, andere AntifaschistInnen und AnwohnerInnen. Anderthalb Stunden nach Beginn der Kundgebung an der Moschee verlassen die pro-AnhängerInnen Ehrenfeld.
Letzte Kundgebung in der Südstadt
Zum letzten Mal an diesem Tag macht „pro Deutschland“ am Eifelwall in der Nähe des Autonomen Zentrums (AZ) halt. Zwei Tage zuvor hat die Schwesterpartei „pro Köln“ Flyer an die AnwohnerInnen verteilt. Darin heißt es, Besucher des AZs hätten bereits Autos in der Nähe des alten Standortes in Kalk angezündet. Eine Behauptung, die fern ab jeder Realität ist. Trotz dieses Flyers beachtet nur eine Hand voll AnwohnerInnen die rechte Kundgebung von ihren Fenstern aus. Zustimmung signalisiert niemand, ein Anwohner hat sogar ein Transparent aus seinem Fenster gehängt: „Pro Hirn, statt pro Köln“. Während die Redner vergebens Publikum suchen, protestieren etwa 50 SympathisantInnen des Autonomen Zentrums friedlich in einiger Entfernung gegen die Kundgebung. Gegen 19 Uhr findet diese letzte Kundgebung des Tages ein Ende.
Insgesamt eine schwachbrüstige Kundgebungstour in Köln, die weder eine Debatte über den „Umgang mit militanten Linksextremisten“, noch über das „Scheitern der etablierten Zuwanderungspolitik“ erreicht hat. Auch Krawalle und damit einhergehende große mediale Berichterstattung blieben aus. PassantInnen erreichte „pro Deutschland“ kaum und wenn doch, zeigte ein Großteil seine Ablehnung. In Köln, einer Hochburg der pro-Bewegung, musste „pro Deutschland“ ganz ohne personelle Unterstützung aus der Führungsriege von „pro Köln“ auskommen. Es bleibt abzuwarten, ob die Partei nach der Bundestagswahl ihr Ziel in den Genuss der staatlichen Parteienfinanzierung zu kommen, erreichen kann. (mb)