Am 22.08.2013 veröffentlichte der NSU-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages seinen Abschlussbericht. Als Reaktion verfasste die Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung und der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus eine Presseerklärung, die wir hier dokumentieren:
„Während der Abschlussbericht vorgestellt wird, steigt die Zahl rechtsextremer Straftaten. Rund 17 600 politisch rechts motivierte Straftaten alleine im Jahr 2012 – das sind 48 Straftaten pro Tag. Dies sowie die Aufdeckung des NSU-Terrors machen die gewalttätige und tödliche Dimension von Rechtsextremismus und Rassismus in Deutschland sichtbar und stellen Präventionsarchitektur sowie demokratische Zivilgesellschaft vor große Herausforderungen.
Die Empfehlungen im gemeinsamen Teil des NSU-Abschlussberichtes des Deutschen Bundestages (Abschnitt VII. Kontinuierliche Unterstützung für Demokratieförderung) sind richtungsweisend und müssen unverzüglich in die Praxis überführt werden.
Dabei sollte die kommende Bundesregierung ihr besonderes Augenmerk auf die Schaffung einer sinnvollen Programmstruktur, die die aktuelle Zerfaserung beendet, legen und mindestens eine Verdoppelung der heutigen Fördersumme auf 65 Mio. € vornehmen. Im NSU-Abschlussbericht heißt es dazu: „Doch rassistische Gewalt und vielfältige neonazistische Aktivitäten sind ein gesamtdeutsches Problem von dessen Ausmaß in den westlichen Bundesländern sich der Ausschuss ein eindrückliches Bild verschaffen konnte. Allerdings fehlen hier, mit den in den ostdeutschen Ländern vergleichbare flächendeckende Beratungsstrukturen […]. Das ist auch unter Berücksichtigung der Unterschiede bei den Pro-Kopf-Fallzahlen rechtsextremer und rassistischer Gewalt zu wenig.“
Jetzt der Zeitpunkt gekommen, endlich eine kontinuierliche, flächendeckende und dauerhafte Ausgestaltung der Unterstützung zivilgesellschaftlicher Arbeit in ganz Deutschland auf „bundesgesetzlicher Basis“ zu beginnen. „Gesellschaftliche Projekte, die sich der Wahrnehmung dieser Verantwortung in besonderer Weise annehmen, bedürfen eines gewissen Maßes an Finanzierungssicherheit. Diese wäre auf bundesgesetzlicher Basis auch unter Einbeziehung der Länder zu gewährleisten.“ Die Empfehlungen des NSU–Untersuchungsausschusses, endlich die Programmgestaltung mit den Initiativen und Projekten gemeinsam umzusetzen wird die Programme zielgenauer, qualitativer und vor allem mehr an den Bedürfnissen der Beratungsnehmer_innen und Initiativen entlang orientieren können.
Das Unvermögen staatlicher Behörden und Strukturen im Erkennen des NSU, in der Verhinderung der Aufklärung und dem Vertuschen von eigenen Fehlern ist im NSU-Abschlussbericht erschreckend klar dokumentiert. Deshalb sind Ausbau und Zentralisierung staatlicher Strukturen und Behörden, als bisher einzige erkennbare Reaktion des Staates auf die NSU–Morde, der falsche Weg. Mit einer starken, thematisch aktuellen und gut vernetzten Zivilgesellschaft kann dauerhaft für menschfeindliche Einstellungen und Rassismus sensibilisiert und damit dem Rechtsterrorismus der Boden entzogen werden.
Wir sind es den Opfern rechter Gewalt und ihren Hinterbliebenen schuldig, dass sowohl Staat als auch Zivilgesellschaft aus den Fehlern beim Erkennen und Aufklären der NSU – Mordserie lernen. Deshalb fordern wir eine Diskussion, die nicht allein rechten und rassistischen Terror, sondern auch Rassismus in staatlichen, medialen und gesellschaftlichen Institutionen und Diskursen zum Thema macht. Verdeckte und offene Formen des institutionellen Rassismus auch zu benennen, hätten wir uns vom Bericht deutlicher erhofft!“
Für die Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung: Grit Hanneforth (0173 – 8627662) und Timo Reinfrank (0162-3237095)
Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus: Friedemann Bringt, Geschäftsführer (0176-61956129)
Weitere Informationen auch auf der Webseite der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus und der Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung.