Tagungsbericht: „20 Jahre ‚Asylkompromiss‘: Erfolgsbilanz oder Fiasko? Entwicklungen und Herausforderungen im Bereich des Flüchtlingsschutzes“

Am 20.03.2013 fand im Internationalen Zentrum des Caritasverbandes für die Stadt Köln e.V. die Fachtagung zum Thema „20 Jahre ‚Asylkompromiss‘: Erfolgsbilanz oder Fiasko? Entwicklungen und Herausforderungen im Bereich des Flüchtlingsschutzes“ statt, welche vom Förderverein Kölner Flüchtlingsrat e.V. und dem Therapiezentrum für Folteropfer/Flüchtlingsberatung des Caritas-Verbandes für die Stadt Köln e.V. mit Unterstützung der Stadt Köln veranstaltet wurde.

Es nahmen rund 100 Personen an der Tagung teil, darunter Vertreter*innen verschiedener NGOs und Beratungs-/Vertretungsstrukturen für Flüchtlinge, aber auch viele Vertreter*innen der Stadt Köln, Mitarbeiter*innen der Ausländerbehörde und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge.  Dieses Aufeinandertreffen verschiedener Perspektiven machte die Tagung zu einem spannenden Forum für einen Austausch, und es ist positiv zu bewerten, dass die offiziellen Stellen zu einem solchen Diskurs über Flüchtlingsschutz bereit sind. Dies hängt sicherlich auch damit zusammen, dass das Thema Asyl aktuell auch in der Stadt Köln kontrovers diskutiert wird, unter anderem durch die Notwendigkeit des Baus neuer Flüchtlingsunterkünfte und die rechte Agitation von ProNRW gegen diese. Neben dem Jahrestag der faktischen Abschaffung des Asylrechts vor 20 Jahren boten also auch aktuelle Debatten um Asyl und damit verbundene Themen wie innereuropäische Migration und eine momentan ansteigende feinselige Stimmung gegenüber Roma, einen wichtigen Anlass für die Tagung.

Eröffnet wurde die Veranstaltung durch Grußworte von Peter Krücker (Caritasverband für die Stadt Köln e.V.), Claus-Ulrich Prölß (Förderverein Kölner Flüchtlingsrat e.V.) und Guido Kahlen (Stadtdirektor der Stadt Köln), welche in die Hauptthemen der Tagung einleiteten. Dies waren, neben dem Rückblick auf die asylrechtlichen Änderungen vor 20 Jahren, vor allem die aktuelle Situation des Asylrechts und dessen praktische Umsetzung, die Realisierung der bis Ende 2013 geplanten „Harmonisierung“ der EU-weiten Flüchtlingspolitik, die Umstellung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG), sowie die aktuelle Debatte um Asyl und Asylbewerber*innenunterkünfte. Alle drei Redner betonten, dass es zwar seit 2007 einen Anstieg der Asylanträge gebe, die Zahlen aber bei weitem noch nicht so hoch seien wie Anfang der 1990er Jahre, als die Reaktionen darauf in einen rassistischen gesellschaftlichen Diskurs und schließlich auch in Pogrome gegen Asylbewerber*innen mündeten. Guido Kahlen stellte außerdem heraus, dass die vielen Neubauten zur Unterbringung der Asylbewerber*innen nicht auf eine erhöhte Anzahl von Asylanträgen zurückzuführen seien, sondern  auf den Verfall der alten Unterkünfte.

Im Anschluss trugen verschiedene Expert*innen ihre Sicht auf einzelne Schwerpunkte der Tagung vor. Zunächst gab Sabine am Orde (stellvertretende Chefredakteurin der taz) einen ausführlichen Überblick über die Geschehnisse vor 20 Jahren. Sie erinnerte an den rassistischen Diskurs zu jener Zeit und das offensichtliche Ziel des sogenannten ‚Asylkompromisses‘ und der Änderung des Grundgesetzes, welche das Recht auf Asyl grundlegend einschränkte: die Eindämmung der Asylantragszahlen und die Abschreckung potentieller Asylbewerber*innen. Hierfür wurde auf die Einführung von Sammellagern, Isolation, Residenzpflicht und Arbeitsverbot zurückgegriffen. Auch die Regelung der sicheren Dritt- und Herkunftsstaaten sowie die Flughafenverfahren sind in diesem Zusammenhang zu sehen. Ebenso wurde damals das AsylbLG eingeführt, welches nun aber vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft wurde, da die ausgezahlten Beträge unter dem Existenzminimum von Arbeitslosen mit deutschem Pass liegen. Sabine am Orde legte dar, dass die Titel-Frage der Tagung – „Erfolgsbilanz oder Fiasko?“ – je nach Zielsetzung unterschiedlich beantwortet werden müsste. Aus Regierungssicht sei der ‚Asylkompromiss‘ in Hinblick auf die ‚Flüchtlingsabwehr‘ sicher effizient gewesen; vor dem Hintergrund des Flüchtlingsschutzes sei er aber als ‚Fiasko‘ einzustufen, da die Bedingungen für Flüchtlinge sich dadurch in keiner Hinsicht verbessert hätten.

Es folgte ein Vortrag von Stefan Keßler (Policy & Advocacy Officer des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes Europa) zur „Harmonisierung des Asylrechts in der EU“. Dieser stellte heraus, dass die Zielsetzung der EU bis Ende 2013 das Asylrecht und den Umgang mit Flüchtlingen in allen EU-Ländern aneinander anzugleichen, nicht umgesetzt werden konnte. Nach wie vor gibt es unterschiedlichste Standards in den verschiedenen Mitgliedsstaaten; wer in einem Land mit seiner Fluchtgeschichte aufgenommen wird, kann in einem anderen Land genau so gut abgewiesen werden. 2011 gab es sogar ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dass aufgrund der verheerenden Zustände nicht mehr nach Griechenland abgeschoben werden dürfe. Anstelle der ‚Harmonisierung‘ des Umgangs mit Flüchtlingen sei lediglich die Grenzsicherung vergemeinschaftet worden. Dadurch gerät das Dublin II Abkommen unter Beschuss, welches vor allem für die Staaten Zentraleuropas den Vorteil hat, fast alle Asylbewerber*innen in Grenzländer der EU abzuschieben, da diese als Erstaufnahmeländer zur Aufnahme dieser verpflichtet sind. Insgesamt laufen aktuelle Debatten zur Harmonisierung der Asylpolitik in der EU schleppend. Bereits beschlossene Änderungen werden teilweise nicht in die Praxis umgesetzt. Daher ist der Druck durch eine Zivilgesellschaft und durch die Selbstorganisation von Flüchtlingen nötig, um den Prozess voranzutreiben.

Im Anschluss hieran fand eine Podiumsdiskussion zum Thema „Bilanz und Ausblick nach 20 Jahren Asylkompromiss“ statt. Auf dem Podium saßen Christina Bürg (Stadt Köln, stellv. Leiterin der Ausländerbehörde Köln), Wolfgang Grenz (Generalsekretär amnesty international), Dr. Michael Griesbeck (Vizepräsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge), Stefan Keßler , Sabine am Orde und Henriette Reker (Beigeordnete der Stadt Köln), moderiert von Isabel Schayani (WDR). Die Themen der Tagung wurden in der Diskussion weiter vertieft, mit Schwerpunkten auf Dublin, die Drittstaatenregelung, das AsylbLG und die Widerrufsverfahren von anerkannten Asylfällen. Vor allem über die Sinnhaftigkeit von Dublin II wurde intensiv debattiert.

Nach der Podiumsdiskussion hielt Eva Steffen (Rechtsanwältin) einen Vortrag über „Die Umsetzung der Entscheidung des BVerfG zum AsylbLG – Kernaussagen und Konsequenzen für eine Neufassung“, in welchem sie detailliert über den Umsetzungsprozess der Entscheidung des BVerfG, dass das AsylbLG verfassungswidrig sei, berichtete und die Schwierigkeiten an aktuell debattierten Neuregelungen aufzeigte.

Abschluss der Tagung stellten drei parallel laufende Workshops zu den Themen „Aufenthalt von Flüchtlingen“ (Input: Christina Boeck, Stadt Köln, stellv. Leiterin der Ausländerbehörde Köln), „Umsetzung des AsylbLG“ (Input: Bernd Taschenmacher, Stadt Köln, Sozialamt) und „Unterbringung von Flüchtlingen“ (Input: Jürgen Kube, Stadt Köln, Amt für Wohnungswesen, Leiter Wohnraumversorgung) dar. Zur aktuellen Problematik der Unterbringung von Flüchtlingen erklärte Jürgen Kube hier, dass 2007/8 aufgrund der damaligen niedrigen Asylbewerber*innenzahlen mehrere Flüchtlingsunterkünfte geschlossen wurden und andere momentan in schlechtem bis unbewohnbarem Zustand seien. Daher müsse die Stadt Köln nun 6-7 neue Asylbewerber*innenunterkünfte bauen. Er betonte weiterhin, dass aus allen Stadtteilen, in denen diese gebaut werden sollten, heftiger Protest und Unmut seitens der Bevölkerung aufkomme. Deshalb wird in der neuen Bauweise der Unterkünfte auf eine Unterbringung ohne Gemeinschaftsküchen und -sanitäranlagen gesetzt, um Streitereien zu vermeiden, sowie auf eine Bauweise, die sich in der Nachbarschaft gut einpasst. Die gleichmäßige Verteilung von Unterkünften auf die Stadtteile Kölns sowie die Akzeptanz der Standorte seien momentan vorherrschende Zielsetzung der Stadt.

Die Tagung endete mit Kurzberichten aus den einzelnen Workshops und einem Schlusswort, welches die Diskussionen des Tages noch einmal kurz zusammenfasste. Insgesamt bot die Tagung den Rahmen für einen sehr angeregten Austausch über ein Thema das, wie sich deutlich abzeichnet, aktuell wieder an Brisanz gewinnt. Es bedarf demnach in der Zukunft noch vieler weiterführender Diskussionen zum Thema Asyl. Die Tagung war dafür ein guter Anfang. (lw)

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