„Die Rechte“ in Aachen

Es war ein provokativer Auftritt am 25. August 2012. Mit einer Kundgebung in der Dürener Fußgängerzone warben rund 35 Neonazis für einen rechten Aufmarsch in Dortmund. Als Moderator und Anmelder fungierte der ehemalige „Kameradschaftsführer“ der „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL), René Laube. Zwei Tage zuvor war die KAL verboten worden. Obschon das Thema der Versammlung nicht das KAL-Verbot war, konnte der grobschlächtige Neonazi-Glatzkopf sich einen rhetorischen Seitenhieb an Landesinnenminister Ralph Jäger nicht verkneifen. An diesen gerichtet sagte Laube: „Trotz Verbot sind wir nicht tot!“

Das Verbot der „Kameradschaft Aachener Land“ durch Jäger ist nun rund fünf Monate her. Personen aus dem Umfeld der Gruppe oder ideologisch weniger gefestigte Mitglieder wurden durch die Aktion verunsichert. Sie zogen sich zurück ins Privatleben oder werden sogar durch das Aussteiger-Programm des Landesinnenministeriums betreut. Doch schon damals wies die Polizei darauf hin, dass ein Verbot zwar die Lage beruhige, die Razzia Neonazis verunsichere und deren Organisationstrukturen erhebliche schwäche. Jedoch werde der harte Kern aktiv bleiben, sich vielleicht umstrukturieren. Unterdessen gibt es deutliche Hinweise darauf, dass dies längst geschehen ist.

So soll seit dem Wochenende die neonazistisch geprägte Splitterpartei „Die Rechte“ mit eigenen Kreisverbänden in Aachen und Heinsberg aktiv geworden sein. Obschon die Partei mit ihrem Namen andeuten will, keinen neonazistischen Hintergrund zu haben und sie sich angeblich politisch zwischen der rechtsradikalen Splitterpartei „Pro NRW“ und der rechtsextremen NPD positionieren will, gehören ihr in Nordrhein-Westfalen maßgeblich Mitglieder verbotener Neonazi-Gruppen an. Auch im Raum Aachen prägen ehemalige Mitglieder der verbotenen „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL) oder Personen aus deren engstem die neuen Verbände.

Die Partei „Die Rechte“ wurde an Pfingstsonntag 2012 in Hamburg durch ehemalige Mitglieder der rechtsextremen, fremdenfeindlichen Partei DVU und Neonazis rund um Christian Worch gegründet. Worch, ein bundesweit bedeutsamer Neonazi der wiederholt auch bei den fremdenfeindlichen Aufmärschen in Stolberg als (Mit-)Organisator und Redner fungierte, ist zugleich Parteichef. In NRW gründeten sich seit Ende vergangenen Jahres sowohl ein Landesverband als auch verschiedene Kreisverbände von „Die Rechte“.

Geprägt sind jene Kreisverbände und auch der Landesverband durch Neonazis und „Autonome Nationalisten“ (AN) aus dem militanten Spektrum. Führungskader der am 23. August 2012 neben der KAL zudem verbotenen Gruppen „Nationaler Widerstand Dortmund“ und „Kameradschaft Hamm“ bilden teilweise auch die Führungsgremien in den verschiedenen Gliederungen der „Rechten“ in NRW. Es steht also der Verdacht im Raum, dass das Parteienprivileg missbraucht wird, um die durch die Verbote verlorenen gegangenen Strukturen unter dem Deckmantel einer Partei neu aufzubauen.

Schon im November 2012 gab es deutliche Hinweise darauf, dass der harte Kern der KAL weiter aktiv ist. So kursierte seinerzeit ein Flyer im Internet, mit dem für Anfang Dezember 2012 zu einer Geburtstagsfeier für eine Seniorin, die der KAL zugerechnet wurde, eingeladen wurde. Die Rentnerin wurde auf dem Szene-Flyer, der in seiner Optik und in Textpassagen früheren KAL-Flyern ähnelte, als „Mutter der Kompanie“ bezeichnet. Als Ort für die konspirativ vorbereitete Feier wurde das „Aachener Land“ angegeben, fast so, als wollten die Produzenten, nämlich ehemalige KAL-Kader, provokativ darauf hinweisen, weiter aktiv zu sein.

Auch die Gründung der Kreisverbände von „Die Rechte“ arbeitet mit solchen, wenn auch eher versteckten Provokationen und Botschaften. Laut Parteiveröffentlichungen wollen sich die beiden Kreisverbände, die eng kooperieren und gemeinsame Internet-Auftritte nutzen wollen, am 2. Februar bei einer Versammlung gegründet haben. Während der Kreisverband in Heinsberg für das dortige Kreisgebiet zuständig sein soll, soll der Kreisverband Aachen ein Zusammenschluss von Mitgliedern aus dem Raum Aachen und Düren sein. Die KAL war seinerzeit in drei „Sektionen“ unterteilt: Aachen, Düren und Heinsberg.

Auf Anfrage bestätigte das Kommissariat „Rechts motivierte Kriminalität“ (REMOK) des Polizeipräsidiums Aachen, dass bei der Versammlung unter den rund 30 Besuchern eine Reihe ehemaliger Mitglieder der verbotenen KAL anwesend war. Die Polizei hat das Treffen in einem von den Neonazis angemieteten Versammlungsraum im Bereich Nörvenich beobachtet und Teile der Besucher kontrolliert. Kaum zufällig dürfte dabei auch der Termin für den „Gründungsparteitag“ (Zitat „Die Rechte“) gewesen sein: die im August 2012 verbotene KAL hatte sich nach eigenen Angaben am 1. Februar 2002 gegründet – elf Jahre später gründen sich ausgerechnet jene beiden regional aktiven Kreisverbände von „Die Rechte“, in der auch ehemalige KAL-Leute aktiv sind, an einem 2. Februar.

Presserechtlich verantwortlich für die Homepages der beiden neuen Verbände ist zudem ein ehemaliges KAL-Mitglied aus Aachen. Überdies trifft man auf einen neonazistisch geprägten „Humor“, den man auch aus den alten KAL-Tagen schon kennt. Als ihren Pressesprecher benennt „Die Rechte“ in Aachen und Heinsberg eine offenbar fiktive Person namens „Fritz Brand“ – angelehnt möglicherweise an die Filmfigur gleichen namens im NS-Propagandafilm „SA-Mann Brand. Ein Lebensbild unserer Tage“ von 1933. (Michael Klarmann)

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