Die „Deutschlandtour“ der NPD machte in der vergangenen Woche auch in zwei Städte im Regierungsbezirk Köln Halt. Nur jeweils ein Dutzend TeilnehmerInnen erschienen zu den Versammlungen. Mediale Aufmerksamkeit erzielte die Partei mit ihrer Tour trotzdem. Nicht zuletzt auch, weil der NPD-Parteivorsitzende Holger Apfel in Bonn dazu stieß – und es prompt zu einem Vorfall kam, mit dessen Hilfe die NPD nun versucht sich medial als Opfer zu inszenieren. Vor dem Kölner Verwaltungsgericht war die NPD zuvor erfolgreich gegen eine Polizeiauflage vorgegangen, die ihr den Einsatz von Tonverstärkern faktisch verboten hätte. Sowohl in Köln als auch in Bonn demonstrierten jeweils rund 200 Menschen gegen die NPD.
Neben einem festen Tross von NPD-Anhängern, die den als „NPD-Flaggschiff“ bezeichneten LKW auf zahlreichen der insgesamt 52 Stationen begleiten, unterstützen lokale Parteimitglieder die Veranstaltungen. So auch am 27. Juli in Köln und tags darauf in Bonn. Beide Kundgebungen wurden nach etwa einer Stunde beendet.
Reden gegen Eurokrise – und Minderheiten
Erwartungsgemäß schlugen die Redner Arne Schimmer (Mitglied der sächsischen NPD-Landtagsfraktion) und Matthias Faust (Beisitzer im Bundesvorstand der NPD und ehemaliger Bundesvorsitzender der DVU) in Köln harte Töne zum Umgang mit der Eurokrise an. Deut-sche Interessen würden nicht gewahrt werden und die deutschen Steuerzahler müssten zur Rettung von Banken und fremden Staatshaushalten herhalten. Zur Lösung der Krise setzt die NPD ganz auf Nationalismus: „Raus aus dem Euro – zurück zur D-Mark!“. Ein Jingle tönte dazu passend in rassistischer Manier: „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche!“.
Auch in Bonn schlug Faust ähnliche Töne an. Der zweite Redner dieser Station, Holger Apfel, grenzte sich zuerst von anderen Parteien ab: „Die NPD ist die einzige Partei, die […] den etablierten Volksvertretern auf die Finger schaut und wenn nötig auch auf die Finger haut.“. Schnell driftete er dann zu anderen altbekannten Themenfeldern ab. Apfel hetzte gegen die „millionenfache Zuwanderung von ausländischen Sozialschmarotzern“, sprach sich gegen Moscheen aus, erklärte er wolle künftig der „Kuschelpädagogik für Sexualstraftäter“ den Kampf ansagen und der „Schwulen-und-Lesben-Lobby“ die Rote Karte zu zeigen. Ein Bezug zum Ausgangsthema war da kaum mehr gegeben. Seine Rede glich in Teilen eher einem populistischen Rundumschlag gegen Minderheiten.
NPD erfolgreich vor Kölner Verwaltungsgericht
Dass sich NPD auf dem Kölner Heumarkt überhaupt Gehör verschaffen konnte, hat sie einer Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts zu verdanken. Laut gängiger Auflage der Kölner Polizei ist es bei Versammlungen erst ab mindestens 50 TeilnehmerInnen gestattet, elekt-rische Tonverstärker einzusetzen. Mit einem Eilantrag am Kölner Gericht war die Partei erfolgreich gegen diese Auflage vorgegangen – und durfte laute Töne spucken, obwohl nur ein Dutzend Personen zur eigenen Kundgebungen gekommen waren. In der Begründung des am 24. Juni 2012 vom Amtsgericht Köln getroffenen Beschlusses heißt es: „Insbesondere darf sich ein Verbot der Lautsprecherbenutzung nicht – so aber die in der streitigen Auflage gegebene Begründung – allein auf die Erforderlichkeit eines solchen Hilfsmittels für die Erreichbarkeit der (wenn auch sehr wenigen) Versammlungsteilnehmer beschränken, vielmehr ist ein solches Hilfsmittel auch zum Zwecke der Erregung von Aufmerksamkeit Außenstehender (Außenkommunikation) zulässig.“.
Vorfall in Bonn
Kurz nachdem Holger Apfel seine Rede auf dem Bonner Friedensplatz begann, kam es zu einem Tumult. „Nach jetzigem Ermittlungsstand ist ein Mann auf den Redner zugelaufen. Als er sich unmittelbar vor ihm befand, wurde er gestoppt durch einen Ordner bzw. einem weiteren Kundgebungsteilnehmer der NPD. Beide Personen fielen zu Boden.“, schildert Frank Piontek, Pressesprecher der Polizei Bonn den Vorfall. Wegen „Störung einer genehmigten Versammlung“ werde die Polizei eine Ordnungswidrigkeitsanzeige gegen den Mann vorlegen müssen. In einer Pressemitteilung teilt die NPD mit, sie habe ihrerseits Strafanzeige gegen den Mann gestellt.
Entgegen dem Ermittlungsstand der Polizei und den Beobachtungen der Presse behauptet die NPD in der Meldung weiterhin: „Holger Apfel wurde heute […] auf dem Friedensplatz in Bonn tätlich angegriffen.“. Dass niemand auf Seiten der NPD verletzt wurde, wird in der Pressemitteilung geflissentlich übergangen. „Wenn die staatlichen Behörden unsere Kundgebungen nicht schützen können, dann werden wir künftig eben noch stärker auf unseren eige-nen Ordnungsdienst setzen, auf den ich mich auch heute verlassen konnte.“, wird Apfel in eben dieser Pressemitteilung zitiert. Wieso er sich auf den Ordnungsdienst verlassen konnte, obwohl er doch angeblich tätlich angegriffen wurde, bleibt wohl das Geheimnis der NPD. Dass sich Neonazis oft versuchen als Opfer von Staatsgewalt, Politik oder gesellschaftlichen AkteurInnen zu inszenieren, ist nicht neu. Aus dieser angeblichen Benachteiligung ziehen sie nicht selten die Legitimation für eigene Gewalttaten.
Bei dem Ordner, der den mutmaßlichen Störer zu Boden riss, handelt es sich mit Marcus Großmann um einen Mitarbeiter der sächsischen NPD-Landtagsfraktion. Zusammen mit vier weiteren, teilweise martialisch auftretenden jungen Männern, übernahmen sie augenscheinlich den Job des erwähnten NPD-Ordnungsdienstes.
Zu weiteren nennenswerten Zwischenfällen kam es in Köln und Bonn nicht. Mit Transparenten, Sprechchören und Musik zeigten die vielfältig aufgestellten GegendemonstrantInnen der NPD ihre Ablehnung, die sich bei PassantInnen kaum Gehör verschaffen konnte. In Bonn hatte das Bündnis „Bonn stellt sich quer“ sogar eine Bühne aufgebaut, auf der vor Eintreffen der NPD zahlreiche Reden gehalten wurden. (mb/jmg)