Sport hat in unserer heutigen Gesellschaft einen hohen Stellenwert. In einem Sportverein aktiv zu sein gehört bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen seit Jahren zum Alltag, sie schätzen u.a. den Zusammenhalt und das Zugehörigkeitsgefühl. In zunehmendem Maße versuchen Rechtsextremisten, dies zu nutzen und den Sport als Plattform zur Verbreitung ihres rassistischen Gedankenguts zu missbrauchen. Sie agieren als Spielführer, Trainer, Übungsleiter, Sponsor oder „engagieren“ sich in anderen Funktionen innerhalb des Vereins. Auch im Sport selbst und auf den Fantribünen kommt es immer wieder zu rechtsextremen und diskriminierenden Zwischenfällen. Um auf diese Entwicklung aufmerksam zu machen und um dagegen aktiv zu werden, fanden Ende Oktober in Köln Aktionstage „Gegen Rechtsextremismus im Sport“ statt.
Im Rahmen der FARE ACTION WEEK 2011, bei der europaweit vielfältige Veranstaltungen gegen Rassismus durchgeführt wurden (siehe www.farenet.org), organisierte ein Kölner Arbeitsbündnis (Sozialpädagogisches Kölner Fanprojekt, FC-Ultrà-Fangruppe „Coloniacs“, „BiBeriS – Bildung & Beratung im Sport“) vom 19.-31. Oktober zum vierten Mal Aktionstage gegen Diskriminierung im Sport. Mit einem Fußballturnier für Jugendliche, einer thematischen Ausstellung über rechte Parteien und ihre Ideologien, einem Fachvortrag zur rechten Kultur/Symbolik sowie der Lesung „Angriff von Rechtsaußen“ konnte sich dem Thema „Rechtsextremismus im Sport“ erfolgreich genähert werden. Interessierte KölnerInnen und Akteure des Kölner Sports wurden auf diese Weise informiert und so für die doch bedenklichen Entwicklungen in unserer Gesellschaft sensibilisiert.
Zum Auftakt der Aktionstage veranstaltete das Sozialpädagogische Kölner Fanprojekt in Kooperation mit Köln Kickt, dem Fußballprojekt der RheinFlanke GmbH, ein Fußballturnier für Jugendliche unter dem Motto „Mehr als ein 1:0 – Fußballkultur gegen Rassismus“. 16 Teams von verschiedenen Kölner Jugendeinrichtungen spielten im Schatten des RheinEnergie-Stadions auch um einen speziellen Fair-Play-Pokal. Am Ende eines sportlichen Tages konnten sich dann alle TeilnehmerInnen als Gewinner fühlen. Ein paar Tage später lud das Arbeitsbündnis zum Fachvortrag „Rechte Lebenswelten im Sport – Marken, Zeichen & Lifestyle“ in die Räumlichkeiten des Fanprojekts. Hans-Peter Killguss, der bei der Info- & Bildungsstelle gegen Rechtsextremismus (ibs) in Köln arbeitet, referierte über die Symbolik rechter (Jugend)Kultur, die auch im Sport, in Vereinen und in Fußballfankurven zu finden ist. Er informierte über Kleidermarken wie „Thor Steinar“, über Musikbands wie „Landser“ und über Zahlencodes (z.B. „88“ für „Heil Hitler“), die in neonazistischen oder extrem rechten Gruppen zu beobachten sind. Begleitend zum Vortrag war die Ausstellung „Gegen Rechtsextremismus in Köln/im Sport“ zu sehen, die vom Jugendclub Courage initiiert wurde. Auf 26 Schautafeln zeigte diese Hintergründiges zu Ideologien, Parteien und Symbolik rechtsextremer Kultur, auch stellte sie Wissenswertes über rassistische Vorfälle im (Fußball-)Sport und zu vielfältigen Gegenaktivitäten dar. Die Ausstellung konnte bis zum Ende der Aktionstage noch an der Sporthochschule Köln sowie beim Heimspiel des 1.FC Köln gegen den FC Augsburg vor der Südtribüne des Stadions bewundert werden. Hunderte meist jugendliche Fußballfans nutzten dort die Möglichkeit, sich selbst und auch die eigenen Verhaltensweisen auf den Zuschauerrängen zu hinterfragen.
Zum Abschluss der Aktionstage 2011 fand im Sport- & Olympiamuseum Köln die Lesung „Angriff von Rechtsaußen“ statt. Der Journalist und Autor Ronny Blaschke (Berlin) hat für sein gleichnamiges Buch mit dem Untertitel „Wie Neonazis den Fußball missbrauchen“ mehrere Beispiele aus dem Sport intensiv recherchiert und anschaulich eine Unterwanderung durch rechtes Gedankengut dokumentiert. So konnte er von einem Interview mit einem Parteifunktionär der NPD berichten, der als Fußballfan von Lok Leipzig öffentlichkeitswirksame Wahlwerbung veranstaltete. Auch beschrieb der Autor, wie ein sozialpädagogisches Fußballfanprojekt mitsamt seiner staatlichen Fördereinnahmen durch besonderes „Engagement“ eines Fanclubs („Blue Cabs“) für die NPD vereinnahmt wurde. Ein drittes Beispiel beschrieb einen Schiedsrichter in Lüdenscheid, der privat wegen rechter Hetzpropaganda verurteilt wurde – nun pfeift er Jugendfußballspiele auch mit Migrantenvereinen und beeinflusst die politische Meinung der jungen Sportler. Doch Rechtsextreme im Sport seien keine Einzelfälle, sagte Blaschke, was auch die anschließende Diskussion herausstellte, bei der sich auch Andreas Schmidt vom Kölner Fanprojekt und Bodo Coombs-Robeck vom schwullesbischen FC-Fanclub „Andersrum Rut-Wiess“ auf dem Podium den Fragen der Anwesenden stellten. Über 100 Personen waren an diesem Abend gekommen. Sie wurden mit informativen Materialien und Fachbroschüren versorgt, die am Infotisch von „BiBeriS – Bildung & Beratung im Sport“ verteilt wurden, und alle gingen mit der Erkenntnis nach Hause, jetzt im eigenen Umfeld gegen Rechtsextremismus im Sport aktiv zu werden.
Auch nach den erfolgreichen Aktionstagen geht die Arbeit gegen Rassismus im Sport weiter. BiBeriS organisiert einen Folgeworkshop, bei dem Beispiele aus der Sportvereinspraxis besprochen und mögliche Lösungsansätze behandelt werden. Besonders der Fußball-EM 2012 in Polen/Ukraine gilt danach die Aufmerksamkeit. Einzelne Projekte, die sich gegen die Gewalt in den Fußballstadien richten und sich vielmehr für eine Förderung internationaler Fanfreundschaften einsetzen, sind bereits geplant.
Jörg Stenzel (BiBeriS), Andreas Schmidt (Kölner Fanprojekt) und Coloniacs (Ultras 1. FC Köln)