Razzien bei Neonazis im Rheinland

Acht Monate nach ihren Gewalttaten am Rande einer Neonazidemonstration in Dresden durchsuchte die Polizei am vergangenen Donnerstag sechs Wohnungen von Neonazis im Rheinland. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt wegen des Angriffs auf das linke Wohn- und Kulturprojekt „Praxis“. Bei den Durchsuchungen in Köln, Erftstadt und dem Kreis Düren wurden unter anderem Computer, Speichermedien, Mobiltelefone und eine Fotokamera sichergestellt.

Anlässlich des Jahrestags der Bombardierung Dresdens im Zweiten Weltkrieg marschieren dort Neonazis aus ganz Europa regelmäßig im Februar auf. Mehrere zehntausend Menschen verhinderten am 19. Februar mit Blockaden die Durchführung des Naziaufmarsches. Trotzdem zogen mehrere anreisende Neonazi-Großgruppen weitestgehend ohne Begleitung durch PolizistInnen durch die Elbstadt. Ein bei YouTube eingestelltes Video zeigt, wie aus einer ungefähr 150 Personen umfassenden Neonazi-Gruppe das linke Wohnprojekt „Praxis“ minutenlang attackiert wird. Dabei wurden mehrere Scheiben und Türen zerstört.  Zum Tatzeitpunkt befanden sich mehrere Menschen im Haus, die eine Erstürmung des Gebäudes nur durch das Verbarrikadieren der Zugänge verhindern konnten. Das Video zeigt ebenfalls Polizeiautos, deren Insassen den Angriff aus sicherer Distanz beobachten, ohne gegen die Neonazis einzuschreiten. Zu den aktivsten Angreifern zählt Sebastian Z. (Erftstadt). Auch Paul Breuer, der als eine der Führungsfiguren der neonazistischen Gruppierung „Freie Kräfte Köln“ gilt, konnte erkannt werden, wie er offenbar mit Handzeichen den Angriff koordiniert. Ebenfalls auf dem Video zu erkennen ist der ehemalige Kreisvorsitzende der NPD Düren Ingo Haller. (Wir berichteten darüber in unserem Newsletter 03/11) Durchsuchungen fanden bei den drei genannten Personen statt.

Kritik am Vorgehen der ermittelnden Behörden äußern sowohl die Antifaschistische Koordination Köln & Umland“ (AKKU) als auch die Antifa Erftstadt. Beide Gruppen kritisieren das restriktive Vorgehen der Behörden gegen NazigegnerInnen. Bei den Gegendemonstrationen wurden massenhaft Handydaten der Demonstrationsteilnehmer erfasst, um Bewegungsprofile zu erstellen. Es fanden mehrere Hausdurchsuchungen bei NazigegnerInnen statt, die zu friedlichen Blockaden des Naziaufmarsches aufgerufen hatten. Kürzlich erst wurde sogar die Immunität von Abgeordneten der Linkspartei aufgehoben, die eben jene Blockadeaufrufe unterstützten. „Mit den aktuellen Durchsuchungsmaßnahmen gegen Neonazis soll versucht werden, die Einseitigkeit der sächsischen Ermittlungen, die sich hauptsächlich gegen links richtet, zu verschleiern“, kritisiert AKKU-Sprecher Thorsten Marten die Vorgänge. Da die TäterInnen bereits kurz nach der Tat zum Großteil durch AntifaschistInnen im Internet identifiziert werden konnten, vermutet Luca Plette von der Antifa Erftstadt, „dass [den Behörden] nicht an einer zeitnahen und damit effektiven Beweissicherung gelegen war“. Die Frage, warum die Behörden so lange warteten bis sie gegen die Angreifer aktiv wurden, aber umfangreich gegen antifaschistisch Protestierende ermitteln, bleibt für viele Menschen unverständlich. (jmg)

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