„Bratwurst und Blockaden“

Bei einer Workshoptagung für Engagierte in NRW diskutierten die TeilnehmerInnen über Chancen und Schwierigkeiten der Arbeit in Bündnissen und Initiativen vor Ort.

Bereits zum zweiten Mal fand am 18. Juni 2011 unter dem Motto „Dagegen! … und dann?!“ eine von den Mobilen Beratungsteams in NRW organisierte Workshoptagung statt, welche verschiede-nen gegen Rechtsextremismus engagierten Bündnissen, Initiativen und Einzelpersonen als Forum zum Erfahrungsaustausch und als Vernetzungsmöglichkeit dienen sollte. Knapp 60 TeilnehmerInnen versammelten sich schließlich im Jugendfreizeitzentrum „Big Tipi“ im Dortmunder Fredenbaumpark und diskutierten im Plenum und in verschiedenen Workshops Perspektiven und Konzepte ihrer Arbeit, aber auch Schwierigkeiten, die sich im Engagement gegen extrem rechte Gruppierungen ergeben. Den Auftakt zur Tagung bildete eine Podiumsdiskussion dreier VertreterInnen verschiedener Bündnisse. SprecherInnen der „Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz“ und vom „Bündnis gegen Pro Köln“ sowie Michael Helmbrecht, Vertreter der Bürgerinitiative „Gräfenberg ist bunt“, erläuterten und diskutierten in dieser ersten Runde ihre verschiedenen Vorgehensweisen im Umgang mit den Aktivitäten der extremen Rechten. Im Zentrum stand hierbei die Frage nach wirksamen Strategien gegen Naziaktivitäten. Einig waren sich alle drei Aktiven darüber, dass man der Reklamation des öffentlichen Raums durch die extreme Rechte etwas entgegensetzen müsse und diese nicht etwa durch „aktives Ignorieren“ unkommentiert durch die Straßen ziehen lassen dürfe. Doch setzt man sich z.B. gegen Naziaufmärschen am besten mit Gegenveranstaltungen in Form von Bürgerfesten mit Ballons und Bratwurstverkauf zur Wehr? Oder aber mit gezielten Blockaden durch die Besetzung von Demorouten und Kundgebungsorten? Und muss denn das eine das andere ausschließen?

Good Practice made in Franken

Ein überzeugendes Beispiel für die erfolgreiche Kombination aus Bratwurst und Blockaden stellt die durch Michael Helmbrecht vertretene fränkische Initiative „Gräfenberg ist bunt“ dar. Sie wurde gegründet, nachdem die NPD im Jahr 2006 angekündigt hatte, monatlich in Gräfenberg aufzumarschieren. Hatte man bereits seit 1999 einmal jährlich das zweifelhafte Vergnügen eines „Gedenkmarsches“ zum örtlichen Kriegerdenkmal, sah sich die gerade mal 4.000 Einwohner umfassende Gemeinde nun plötzlich mit über 50 Neonaziaufmärschen innerhalb von nur drei Jahren konfrontiert – genug Gelegenheiten für die Gräfenberger, sich im Aktionismus zu üben. „Gräfenberg ist bunt“ ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie ein breit aufgestellten Bündnis mit ausdauerndem Engagement, Witz und kreativen Aktionen – auch jenseits der Bratwurst – die Nazis sehr wohl in ihre Schranken weisen und ihnen erfolgreich den öffentlichen Raum streitig machen kann.

Workshop-Angebot

Nach der Eröffnung der Tagung durch die Podiumsdiskussion, in der bereits grundlegende Fragen der Bündnisarbeit aufgeworfen wurden, gab es die Gelegenheit, in Workshops unterschiedliche Aspekte des Engagements gegen die extreme Rechte ausführlicher zu bearbeiten und den Austausch über Schwierigkeiten und Problemlösungsansätze zu vertiefen. Je nach Interesse verteilten sich die TeilnehmerInnen auf Arbeitsgruppen, etwa zum Umgang mit rechten Initiativen im ländlichen Raum oder zu Strategien gegen Anmietungsversuche von Gebäuden durch extrem rechte Gruppen. In einem sehr praxisnah gehaltenen Workshop zu Bildungsarbeit gegen extrem rechte Einstellungen probierten die Teilnehmenden bestehende Konzepte direkt aus, eine weitere Gruppe diskutierte Chancen und Fallstricke, die sich aus der Zusammenarbeit von Akteuren aus unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Milieus ergeben.

Erfolgreiche Bündnisarbeit – aber wie?

 Für einen runden Abschluss der Tagung sorgten die abschließenden Gedanken Michael Helmbrechts sowie ein kurzer Film, die die Erfahrungen und Erfolge der Gräfenberger Initiative und die Chancen der Bündnisarbeit im Kampf gegen Rechts im Allgemeinen noch einmal auf den Punkt brachten. Aber: auch die Herausforderungen und Schwierigkeiten ließ Helmbrecht nicht unerwähnt. Häufig werden gerade diejenigen, die sich gegen die extreme Rechte engagieren, als Störfaktor empfunden, weil sie vor Ort „unbequem“ sind und auf Missstände hinweisen. Dass aber gerade diese Engagierten Verfassungsschutz im besten Sinne betreiben und des Schutzes und der Unterstützung bedürfen, war Helmbrecht ein deutliches Anliegen. Als zentrale Kompetenzen für eine erfolgreiche Arbeit im Bündnis erscheinen auch daher letztlich Kompromissbereitschaft, funktionierende Kommunikation und gegenseitige Unterstützung. Wichtig ist auch, das Potential ganz unterschiedlicher gesellschaftlicher Akteure zu erkennen und darauf aufbauend vielfältige und attraktive Beteiligungsmöglichkeiten in der Bündnisarbeit zu schaffen. Denn ein auf möglichst breiter Partizipation fußendes Bündnis hat die größten Chancen, viele Men-schen zu gemeinsamen Aktionen gegen Akteure der extremen Rechten zu mobilisieren. Dazu gehört dann sowohl die inhaltliche und aktive Auseinandersetzung mit der extremen Rechten bis hin zu Blockaden wie auch der Spaß und die kreative Ansprache möglichst vieler BürgerInnen – wo-möglich auch durch Bratwürste und Ballons, darin waren sich zum Abschluss die Teilnehmenden einig.

Fortsetzung 2012

Auch im nächsten Jahr soll die Diskussion weitergeführt werden – die Mobilen Beratungsteams werden dann in einer anderen Ruhrgebietsstadt wieder zur Workshoptagung „Dagegen! …und dann?!“ einladen. Zudem erscheint in der ersten Juliwoche die gleichnamige Broschüre „Dagegen! …und dann?! Rechtsextreme Straßenpolitik und gesellschaftliche Gegenstrategien in NRW“, die von der „Mobilen Beratung im Regierungsbezirk Münster. Gegen Rechtsextremismus, für Demo-kratie“ (mobim) in der Reihe „Villa ten Hompel aktuell“ als Band 14 herausgegeben wird. Weitere Informationen unter www.mobim.info.

Text: Anna-Lena Herkenhoff, Fotos: Heiko Klare

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